Stencil Graffitis von SUCHT

Künstlerpseudonym: SUCHT
Ort: urbaner, öffentlicher Raum Dauer: unbegrenzt (jedoch abhängig von Witterung und Toleranz)
Gattung: Street Art; Stencil Graffiti
Materialien und Technik: aus Stahl oder Kunststoff ausgefräste oder aus Pappe ausgeschnittene Schablonen werden durch Aufsprühen mit Farbsprays auf verschiedenen Trägern wie (Haus-) Wänden, Türen, Mauern, Zigarettenautomaten und sonstigen Objekten im urbanen Raum vervielfältigt. Außerdem werden die Motive auch auf Kacheln oder auf eingeleimtes Plakatpapier und selbstklebendem Aufklebern aufgetragen und dann auf dem Träger angebracht.
Maße: beliebig

projekte

Haimhauserstr.
Ecke Biedersteinerstr.

   

Beschreibung
Die Stempeltechnik hat ursprünglich den Zweck klar verständliche und gut lesbare Nachrichten für die Öffentlichkeit zu hinterlassen, sei es in Form von Warnhinweisen oder als Aufschrift auf Transportgütern. Jedoch besitzt diese aufgestempelte, aufgedruckte oder aufgesprühte Schrift auch einen bestimmten ästhetischen Reiz. Schriftzeichen oder andere Symbole werden auch als Dekor auf Wänden, Papier oder im Modedesign auf Textilien angewendet. Die Motive der Schablonen werden aber nicht nur von der Industrie wegen ihrer massenhaften Reproduzierbarkeit verwendet, sondern sie wurden auch als politisches Propagandamittel verwendet wie zum Beispiel das Angesicht Che Guevaras in den kommunistischen Ländern Südamerikas.
Dieser Reiz, den diese Schablonen durch ihre grafische Technik hatten, wurde in den 70er Jahren von Street- Art Künstlern entdeckt und von Street- Art Pionieren wie Blek le Rat übernommen. Diese Künstler verwendeten die Schablonen im Gegensatz zum Graffiti
(von griechisch: "graphein": Schreiben), das eher typografische Elemente besitzt, um bildliche Motive umzusetzen. Inzwischen ist die Technik der Stencil Graffitis weltweit verbreitet und ist als Ausdruck der Street Art ein Teil des Stadtbildes geworden. In München findet man an Galerien zum Beispiel die aufgesprühten Bananen von dem Bananensprayer Thomas Baumgärtel.

Der Künstler
Seit kurzem sieht man in München, besonders um die frequentierte Münchner Freiheit, zwischen Schwabing und Maxvorstadt, aber auch in Neuhausen und anderen Vierteln das Künstlerpseudonym "SUCHT" auftauchen. SUCHT hinterläßt abgesehen von handgeschriebenen Tags auch Aufkleber mit seinem Namen, die an Zigarettenautomaten, Ampeln oder Verkehrsschildern kleben, und nicht so häufig auch Stencil Graffitis.
Der Künstler selbst bleibt anonym, die Arbeiten wirken für sich: So entdeckt man Abbildungen von Figuren, die dem Betrachter eine überdimensionale Rose entgegen strecken, oder aber einen kleinen Käfer der auf altem Gemäuer sitzt. Es gibt Holzplatten, die an Bäumen angebracht sind, worauf die Graffitis mit dem Namen zusammen zu sehen sind, oder eben nur das Wort SUCHT( Sucht oder etwa sucht...?), das in großen Lettern auf den Boden gesprüht ist oder mit dickem Pinsel auf Hauswände oder sonstige Gegenstände im öffentlichen Raum aufgetragen ist. Außerdem trägt SUCHT ein Motiv wie das mit Figur und Rose auch auf zwei Kacheln auf, was das Motiv auseinander zerrt und den optischen Reiz erhöht. Meist verwendet SUCHT weiße oder schwarze Farbe, manche Motive sind aber auch in einem lila- gelb Kontrast oder in erdigen Brauntönen gehalten.

Betrachtung

Die Stencil Graffitis von SUCHT fielen mir das erste Mal in meiner Straße auf: Über Nacht hatte SUCHT seine Spur hinterlassen und an einer Hauswand war eine Figur zu sehen, die einem eine riesige Rose entgegenstreckte. Seitdem entdecke ich an manchen Orten zufällig neue Graffitis.
Diese Art der Gestaltung von urbanen Räumen wird oft als Vandalismus bezeichnet. Es ist illegal Hauswände wahllos zu beschmieren und fremdes Eigentum zu beschädigen. So fragt man sich zurecht, ob das überhaupt etwas mit Kunst zu tun hat. Wenn man den künstlerischen Gehalt an Maßstäben wie dem Wert des Kunstwerkes mißt, so hat das Graffiti keinen. Stencil Graffitis sind weder in Auftrag gegeben noch haben sie einen Käufer.
Doch hinterlassen die Bilder und Zeichen eine Spur, jedoch keine beliebige, denn die Stencil Graffitis von SUCHT sind gar nicht so oft zu finden und sind ästhetisch sehr an die Umgebung angepasst. Es scheint so, als hätte die alte verwitterte Mauer nur darauf gewartet, daß SUCHT sie entdeckt und sie mit dem Käfer schmückt. So wirken die Stencil Graffitis niemals zufällig an einer Stelle plaziert, sondern der Ort wirkt sorgfältig ausgewählt. Die Bildwahl ist sehr vielfältig. Die klare Trennung von hellen und dunklen Flächen, die sich beim Anblicken zu einem Ganzen fügen ähnlich einem Linolschnitt, sind für das Auge sehr reizvoll. Das Zusammenwirken der Kontraste zwischen dem Schwarz des Sprays und der Struktur und Farblichkeit des Untergrundes wirkt sehr ästhetisch und läßt die Bilder lebendig erscheinen.

Doch wen sollen diese Bilder überhaupt ansprechen und was sollen sie aussagen? Auf jeden Fall lösen sie beim Betrachter, sobald er sie registriert, eine Reaktion aus; sei es empörend oder bewundernd, man fühlt sich angesprochen. Ob man sich nun provoziert fühlt oder einen optischen Reiz entdeckt, liegt an der eigenen Einstellung; und was man als schön empfindet, entscheidet jeder aufgrund von Seherfahrung individuell. Angesprochen kann sich jeder fühlen, der seine Umwelt genau registriert, und nicht nur junge Leute oder Leute, die selbst sprayen.
Über die Aussage der Bilder läßt sich nur spekulieren, schließlich bleibt der Sprayer SUCHT im Dunkeln und überläßt somit dem Betrachter die Interpretationsfreiheit. Die Straße als Plattform bietet der breiten Öffentlichkeit einen Blick auf unzensierte, experimentelle Kunst und auf einen spielerischen Umgang mit verschiedenen Medien. Somit kann SUCHT mit uns unmittelbar in Kontakt treten und uns demonstrieren was SUCHT sucht und ihn süchtig macht. Und wenn SUCHT uns auf irgendeine Weise anspricht, uns zum schmunzeln oder grübeln oder verwundern bringt, so werden seine Stencil Graffitis nicht nur Teil unserer Umgebung sondern auch Teil unserer Wahrnehmung und Erfahrung.


Text und Fotos von Bettina Erhardt

 

 


Wagnerstraße

 


Leopoldstraße 13

 

 


Blütenstraße





 


Nordendstr. Ecke Adalbertstr.
(Arri Rückgebäude)

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