02.03.2021

Was wäre, wenn

Ich bin dein Mensch
Leichte Unterhaltung, die tiefer gehende Fragen anschneidet
(Foto: 71. Berlinale Presseservice)

Maria Schraders im Wettbewerb der 71. Berlinale gezeigter „Ich bin dein Mensch“ ist ein sehr gutes TV-Movie und auch eine gute Kinokomödie, wäre aber überall anders als im Wettbewerb der Berlinale besser aufgehoben

Von Sedat Aslan

»Was wäre, wenn«… Nein, nicht, »was wäre, wenn man sich den perfekten Partner als Roboter erschaffen könnte«, ist die Frage die im Kontext der Berlinale vor allem inter­es­siert. »Was wäre, wenn« dieser Film genau so in Frank­reich gedreht werden würde? »Was wäre, wenn« dieser Film in einer Neben­reihe liefe?

Nach zwei Kino­filmen (Liebes­leben, Vor der Morgen­röte) und einer Miniserie (Unor­thodox) liefert Maria Schrader mit Ich bin dein Mensch ihre nächste Regie­ar­beit ab. Heraus­ge­kommen ist eine Near-Future-RomCom, die auf einer Kurz­ge­schichte von Emma Bras­lavsky basiert und von Jan Schomburg und Schrader selbst zu einem Drehbuch adaptiert wurde. Alma, gespielt von Maren Eggert, die endlich auch mal ihr komö­di­an­ti­sches Talent beweisen darf, erklärt sich bereit, den attrak­tiven huma­no­iden Roboter »Tom« (Dan Stevens), der als ihr perfekter Lebens­partner designt wurde, für drei Wochen im Rahmen einer Studie zu testen. Alma benötigt das Geld, um ihr Forschungs­pro­jekt voran­zu­treiben, und sagt trotz ihrer Abneigung, fortan mit einem Roboter ihr Leben zu teilen, genervt zu. Im Geiste einer Screwball-Comedy schaukeln sich die unter­schied­li­chen Tempe­ra­mente der beiden immer weiter hoch, bis zur vorher­seh­baren Auflösung.
Natürlich ist der buchs­täb­lich aus dem Katalog kommende Tom der schrul­ligen Alma zu makellos, und natürlich fühlt sie sich unwohl dabei, sich einen Huma­no­iden als eine Art Glücks-Sklaven zu halten. Und ja, natürlich geht es auch um körper­liche Nähe zwischen Mensch und AI. Schrader inter­es­siert sich aber auch für grund­le­gende philo­so­phi­sche Fragen, nämlich ob die Erfüllung einer persön­li­chen Glücks­vor­stel­lung nicht über einen flam­menden Idea­lismus geht. Über all dem liegt nahe­lie­gen­der­weise das Thema – was macht uns eigent­lich zu Menschen? Hier wird das Anlehnen an einen Altglas­con­tainer zu der mensch­lichsten Geste überhaupt.
Craig Mazin, der Schöpfer der gefei­erten Miniserie Chernobyl, sagt: »Wenn wir nicht sterblich wären, gäbe es auch kein Drama«, und genau hier stößt sie an der drama­tischsten Stelle des Films hinein. Sicher verhan­delt dieser Film das Thema ganz anders als Sandra Wollners fantas­ti­scher The Trouble With Being Born, der im Vorjahr den Spezi­al­preis der Reihe Encoun­ters gewann, und auch ganz anders als Alex Garlands Ex Machina oder Isa Willin­gers Hi, AI. Spike Jonzes Her erzählt ein verwandtes Thema wesent­lich komplexer und ambi­va­lenter, aber nicht jedes Thema muss nolanesk oder kauf­ma­nesk erzählt werden. Ich bin dein Mensch macht keinen Hehl draus, dass er leichte Unter­hal­tung bieten möchte, die tiefer gehende Fragen anschneidet, und bewerk­stel­ligt dies auch gut. Eggert und Stevens nimmt man (fast) alles ab, vor allem letzterer lässt einen entfernt an Artge­nossen wie Lance Henriksen und Robert Patrick zurück­denken, hoffent­lich sieht man ihn von nun an häufiger im deutschen Film. Auch Benedict Neuenfels’ Bild­ge­stal­tung ordnet sich mit einer klaren, redu­zierten Ästhetk dem Unter­hal­tungs­auf­trag unter.

Wir sprechen hier also von einem ganz anderen Groß­stadt­mär­chen als Christian Petzolds Liebes­drama Undine aus dem Vorjahr, welcher in seinen besten Momenten ins Genre der Komödie tapste. Schraders Film ist viel souver­äner und selbst­be­wusster in der komischen Form. Es ist eine gefällige, aber nicht beliebige Komödie, der auf der Ziel­ge­raden etwas der Sprit ausgeht, und die mit dem Stempel »Made in France« ein sicherer Best-Ager-Hit im Kino geworden wäre.
Wenn, ja, wenn nicht der Stempel »TV-Movie« wäre. In Wirk­lich­keit ist Ich bin dein Mensch nämlich als SWR-Film konzi­piert, und wird auf deren Website auch mit einer TV-Ausstrah­lung im »Herbst 2021« beworben. Der Gedanke liegt nahe, dass Carlo Chatrian der Film amüsiert hat und Schraders großer Name sowie andere poli­ti­sche Argumente ihn dazu brachten, diesen Film in die Haupt­sek­tion zu nehmen. Ob man ihn ange­sichts der gefürch­teten Berlinale-Kritik nicht der Gefahr aussetzt, dafür als viel zu seicht abge­straft zu werden, dürfte in den nächsten Tagen deutlich werden. Ich bin dein Mensch ist ein sehr gutes TV-Movie und auch eine gute Kino­komödie, wäre aber überall anders als im Wett­be­werb der Berlinale besser aufge­hoben.