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Samstag : 19. Januar 2002 : 16 Uhr : Arri Kino
Die Schule des Sehens
Die kulturelle Bedeutung des Kinofilms
Bekanntlich
hatte der Film auf Jahrmärkten und in Vergnügungsstätten seine
Wiege und in seiner Frühzeit das »Gesicht eines Gassenjungen«,
bevor er sich mit »höherer« Kunst und Künstlern (insbes. des
Theaters) einließ und salonfähig wurde.
Bei
der Erinnerung an unsere eigene Schulzeit fällt auf, dass
andere Kunstgattungen (bildende Künste, Architektur, Literatur,
Musik) im Lehrplan und in der Gunst der Lehrer höher veranschlagt
wurden. Als Kulturgut blieb der Film außen vor. Die Existenz
einer Vergnügungssteuer für seine Aufführung (bis Anfang der
80er Jahre in Bayern, in anderen Bundesländern noch länger)
spricht Bände über seine kulturelle Bewertung.
Der Geschichte des Films, seinen Erzähl- und Stilformen, seinen
nachhaltigen Einflüssen auf unser Fühlen, Denken und Handeln
als massenwirksamster Kunstgattung haben sich erst seit den
70er Jahren allmählich die akademischen Pforten geöffnet.
Doch gängige Rezeptionsweisen, die Filme als Zerstreuung,
als Beigabe von Cola und Popcorn feiern, arbeiten einer Wahrnehmung
von künstlerischen Ansprüchen und Gestaltungsweisen wieder
entgegen.
Vielen
Bildungsbürgern (und speziell manchen Pädagogen) bleibt der
Film ein niederes Volksvergnügen, das an der Zersetzung der
»hehren« Bildungsgüter arbeitet. Verhaltensformen, Kleidungsstile,
sprachliche Ausdrucksweisen etc. finden in ihm den großen
Propagandisten, der die Unterschiede zwischen Stadt und Land,
aber auch unter Vorherrschaft Hollywoods die zwischen nationalen
Kulturen zusehends einebnet. Ein Kritiker sprach mit Blick
auf Hollywoods Filmindustrie das Urteil aus: »Kultur heute
schlägt alles mit Ähnlichkeit.« Und: »Aus jedem Besuch des
Kinos komme ich dümmer und schlechter wieder heraus.« (Theodor
W. Adorno)
Doch
selbst wenn diese Kritik berechtigt wäre, kann sie nicht als
Pauschalurteil gefällt, sondern muss differenziert angebracht
werden. Ein erster Schritt dazu wäre, sich mit dem breiten
Spektrum filmischer Vielfalt im Laufe der Filmgeschichte vertraut
zu machen. Das erfordert Aufführungsstätten, die den Film
in seinen kulturellen und historischen Dimensionen präsentieren,
einen Diskurs um ihn pflegen und die Heranführung jüngerer
Generation leisten. Kinos, die das können, werden auch in
München immer seltener.
Andere
Länder haben z.B. in Schulen Film als Unterrichtsfach eingeführt.
In Frankreich ging der Erziehungsminister Jack Lang sogar
so weit, den Film - der an vielen Gymnasien schon Unterrichtsfach
ist - auch in Grundschulen verstärkt einzubeziehen. Vielleicht
ist die Tatsache, dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres
Franzosen mehr Filme aus dem eigenen Land als aus Hollywood
sehen wollten, auch eine Frucht dieser Bildungsarbeit. Hierzulande
sind z.B. das Institut für Kino und Filmkultur und Die Zauberlaterne
aktiv, um jüngeren Kinobesuchern Filmkultur zu vermitteln.
In
anderen europäischen Staaten ist der Besucheranteil bei anspruchsvollen
Filmen (auf das Potential des jeweiligen Landes umgerechnet)
in der Regel höher als bei uns. Haben wir hierzulande bei
der Vermittlung dieses Kulturgutes etwas versäumt? Was wird
bei uns getan und was bleibt zu tun? Wo finden sich Ansätze
für eine »Schule des Sehens« auch bei uns?
Ein
Podium, besetzt mit Fachleuten, wird mit europäischen Vergleichswerten
konfrontiert. Gefragt sind Ansätze und Konzepte, die einen
Weg aus der Misere eröffnen. (Andreas Rost)
Ablauf:
- Begrüßung
durch die Kulturreferentin der Landeshauptstadt München,
Prof. Dr. Dr. Lydia Hartl
- Kurzfilm
von Nanni Moretti Le jour de la première de Close-up (Italien
2001, 7 Min.)
- Einführender
Vortrag Braucht Filmkunst Bildung? - Filmkunst im europäischen
Vergleich von Kim Ludolf Koch (Geschäftsführer RMC Rinke
medien consult-Medienberatungsgesellschaft)
- Podiumsdiskussion
mit Staatsminister Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin (Bundesbeauftragter
für Angelegenheiten der Kultur und der Medien), Horst Walther
(Leiter des Kölner Instituts für Kino und Filmkultur e.V.),
Staatsministerin Monika Hohlmeier (Bay. Staatsministerium
für Unterricht und Kultus - angefragt), Eugène Andréansky
(Les enfants de cinéma - angefragt) und Kim Ludolf Koch,
Moderation: Jürgen Fabritius
- Kurzfilm
von François Truffaut: Les Mistons / Die Unverschämten (Frankreich
1957, 23 Min.)
Arri
Kino, Türkenstraße 91, 80799 München
Karten: 089 -38 89 96 64
Eine Veranstaltungsreihe des Arri Kino in Zusammenarbeit
mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, mit
freundlicher Unterstützung des Institut français
München.
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