Mit das aufschlussreichste Genre für den Kinofeldforscher
ist die Komödie, da nur dort der durchschnittliche Kinogeher
seine direkte emotionelle Reaktion auf den Film offen - durch
sein Lachen - äußert, während er die meisten
anderen Filme weitgehend stumm und in sich gekehrt verfolgt
(über entsprechende Ausnahmen war an dieser Stelle schon
die Rede).
Gerade in Komödien ist deshalb etwa die Problematik
von Erwartungshaltungen deutlich zu beobachten, während
das selbe Phänomen bei anderen Genres oft unerkannt bleibt.
Entscheiden wir uns für den Besuch eines bestimmten
Films, so verbinden wir zwangsläufig eine gewisse Erwartung
damit.
Jemand der sich für einen Film entscheidet, den er aufgrund
von Werbung, Kritiken oder dem bisherigen Werk des Regisseurs
/ Darstellers als Komödie einstuft, erwartet sich zu
unterhalten und im Kino zu lachen.
Bei nicht wenigen Menschen geht diese Erwartung soweit, dass
sie deren Erfüllung erzwingen wollen, indem sie auch
dann lachen, wenn es dafür keine Grund gibt.
Per logischer Überlegung kommen diese Zuschauer zu dem
Schluss, dass alles das, was in einer Komödie vorkommt,
auch komisch sein muss, weshalb sie selbst über die profansten,
alltäglichsten ja manchmal sogar tragische und ernste
Dinge lachen.
Zum Glück hält dieses verkrampfte Festhalten an
der Erwartung in der Regel nicht lange an. Nach fünf
bis zehn Minuten haben die meisten verstanden bzw. akzeptiert,
dass der Film zwar eine Komödie ist, aber nicht alles
darin lautes, schenkelklopfendes Lachen erfordert oder aber
dass der Film sich zwar selbst als Komödie versteht,
er aber nicht dem eigenen Humorverständnis entspricht
oder aber dass der Film überhaupt keine Komödie
ist, weil etwa Woody Allen oder Jim Carrey ausnahmsweise mal
wieder in das sogenannte ernste Fach gewechselt sind.
Bis hier hin ist dieses Kinoverhalten durchaus normal, relativ
weit verbreitet und nicht weiter erwähnenswert. Weniger
normal, zum Glück viel seltener und in mancherlei Hinsicht
einer Betrachtung wert sind dagegen die Menschen, die auch
über die erste Viertelstunde hinaus darauf beharren,
sich uneingeschränkt zu amüsieren und schließlich
für die Dauer des gesamten Films alles - auch untätige
Personen, Bäume, leere Straßen oder tragische Todesfälle
- zum Schreien komisch finden. Solche Kinogeher zählen
zur Art des Immerlachs.
Um sein permanentes Lachen durchzuhalten, benötigt der
Immerlach zahlreiche Eigenschaften bzw. Eigenheiten. Etwa
einen außergewöhnlichen Humor, der ihn selbst die
kleinste Nichtigkeit als lustig erscheinen lässt. Zudem
ein untypisches Gruppenverhalten, das ihn ignorieren lässt,
dass mehrere Dutzend Zuschauer um ihn herum nicht lachen,
während er vor sich hin gackert.
Daneben hat er noch ein starkes künstlerisches Selbstbewusstsein,
um die tatsächlichen Intensionen der Filmemacher zu übergehen
bzw. umzudeuten und schließlich benötigt der Immerlach
noch eine große Portion Unsensibilität, um die
Anfeindungen der genervten anderen Kinogeher von sich abperlen
zu lassen.
Denn erstaunlicherweise gilt: So ansteckend und sozial verbindend
Lachen an der richtigen Stelle ist, so störend und aggressionsfördernd
kann es an der falschen Stelle sein.
Vorschnell könnte man nun dazu neigen, den Immerlach
zu beneiden, schließlich lacht jeder gerne, doch im
Gegensatz zu ihm tut man sich selbst manchmal schwer, im Kino
ausreichend Anlass dafür zu finden.
Tatsächlich aber leidet der Immerlach an einer komplett
verzerrten Wahrnehmung, die ihm von seiner Erwartungshaltung
diktiert wird. Sein Vergnügen ist nicht echt, sondern
reine Illusion.
Und schlussendlich macht sich der, der über alles lacht,
nur selber lächerlich.
Michael Haberlander |