Die Österreichische Methode

Mut zur Grenzüberschreitung

Wie würdest du dich umbringen, wenn du dich umbringen würdest, fragt Julia ihren Freund. Prompt hat der eine Antwort parat: Nachts, voll­trunken im Schnee einschlafen und am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen... Die öster­rei­chi­sche Methode eben. Seiner Meinung nach sei diese Methode ziemlich schmerz­frei.

Ein eigen­ar­tiger Gesprächs­stoff für ein junges Paar. Trotz dieser grotesken Einstiegs­szene handelt dieser Film aber nicht von Lebens­müden. Und auch nicht von kreativ irrwit­zigen Methoden, dem endlos nagenden Frust ein Ende zu setzen. Erst auf den zweiten, ja viel­leicht erst auf den dritten Blick fällt auf, dass dieser Film von genau dem Gegenteil erzählt. Durch­hal­te­ver­mögen prägt seine Prot­ago­nisten. Ausdauer, die undank­baren Situa­tionen durch­zu­stehen, in die sie von ihren Schöpfern gebracht werden. Wenn es dafür nicht sogar an Mut bedarf.

Spricht man von Mut, so beweisen ihn auch die Filme­ma­cher selbst. Fünf ehemalige Kölner Film­hoch­schüler erzählen hier 24 Stunden aus der Tristesse von fünf Frauen, jeweils eine Episode. Formal gesehen eine freche Mischung aus Short Cuts und Paris, je t'aime. In einem Teil versucht Julia (Maja Beckmann) ihre eigenen Abgründe mithilfe der öster­rei­chi­schen Methode zu erfor­schen (Regie: Florian Mischa Böder). Gerrit Lucas erzählt von Eva (Susanne Buchen­berger), die sich emotional immer tiefer in einer aussichts­losen Affäre verstrickt. Claras (Cathérine Seifert) Schicksal, Diagnose Gehirn­tumor, treibt sie in Selbst­mord­ge­danken (Regie: Erica von Moeller). In Peter Bösen­bergs Episode versetzen zwei vergif­tete Ecstasy-Pillen die Liebes­be­zie­hung von Sängerin Maleen (Lilia Lehner) in uner­war­tete Turbulenz. Und schließ­lich kämpft Mona (Julie Bräuning) um ihren Lebensmut in der brutalen Gefan­gen­schaft ihres psycho­pa­thi­schen Exfreunds (Regie: Alexander Tavakoli).

Alles in allem ergibt sich eine brüchige Collage Deutsch­lands desil­lu­sio­nierter, weib­li­cher Mitte-30-Gesell­schaft. Vers­tö­rend und zugleich wirkungs­voll prägt der Blick der Jung­re­gis­seure seelische Extrem­si­tua­tionen: Gefühle von Minder­wer­tig­keit, Enttäu­schung, Verzweif­lung, Trau­rig­keit und Angst kumu­lieren. Der Zuschauer versinkt im Strudel dieser depri­mie­rend wirkenden Bilder. Die bedrü­ckende Perspek­tive bricht nur selten auf. Ein solcher Moment von Tragi­komik ist, wenn Julia zwei wesent­liche Dinge zur Anwendung der öster­rei­chi­schen Methode fehlen: Alkohol und Schnee. Erschre­ckend stellt man fest, dass man der charmant konse­quenten Persön­lich­keit sogar Unter­s­tüt­zung wünscht.

Denn Julia sucht uner­müd­lich die Flucht nach vorne. Sie beweist am deut­lichsten den Mut zur Gren­züber­schrei­tung. Während sie mit nied­li­chem Tausch­ge­schick ihrer alko­ho­li­sierten Bewußt­s­eins­er­wei­te­rung näher­kommt, harren die anderen Frauen in Selbst­leid. Eva beispiels­weise, die stoisch auf der Couch ihres verhei­ra­teten Lieb­ha­bers verweilt. Als ob selbst­zu­ge­fügter Schmerz ab einem bestimmten Grad heilbar wirkte. Wenn auch die Filme­ma­cher Lösungs­wege offen­lassen, sie belohnen ihre Prot­ago­nisten für ihr Leidund ihren Mut mit einem Neuanfang. Nur zaghaft, aber immerhin.