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01.05.2003
 
 
       
Alle Macht der Spreewaldgurke!
Rund 200 Bundestagsabgeordnete auf Klassenfahrt in der DDR
 
 
GOOD BYE LENIN!
   
 
 
 
 

Endlich ist die Deutsche Einheit vollendet - im Kino natürlich, wo sonst? Denn über fünf Millionen Deutsche können nicht irren. Wolfgang Beckers Leinwandhit GOOD BYE LENIN! hat sich längst über die Kinokassen hinaus verselbstständigt - es ist kein Film mehr, sondern ein soziales Experiment, das so unaufhaltsam wie die Oderflut übers Land schwemmt.

Wer daran noch kleine Zweifel anmelden wollte, wurde Anfang April endgültig widerlegt: Da marschierten über 200 Bundestagsabgeordnete im Gänsemarsch ins Ost-Berliner Kult-Kino "International" auf der Karl-Marx-Allee, und versuchten wieder einmal auf Augenhöhe mit ihren Bürgen zu kommen. Von Peter Gauweiler bis Petra Pau saßen sie dann vereint nebeneinander, zuerst etwas verlegen und unsicher auf dem fremden Terrain, später scherzend und ausgelassen, wie Grundschüler auf einem Klassenausflug, wenn es nach der Fabrikbesichtigung Cola und Fresspakete gibt.

Das gab es hier natürlich auch, neben anderen DDR-Nostalgica vor allem die unvermeidlichen Spreewaldgurken. Kameras begleiteten den in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Akt eines gemeinsamen Kulturbesuchs, und Interviewer hielten die spontanen Gedanken unser aller politischen Repräsentanten für die Geschichtsbücher fest. Klassensprecherin Renate Schmidt fand den Film zum Beispiel mit bayerischer Deutlichkeit "saugut", Wolfgang Schäuble schmunzelte etwas schüchtern und der einstige Klassenrabauke Gauweiler erinnerte sich tatsächlich an seine früheren DDR-Fahrten im Gefolge von Franz-Josef Strauß selig. So konnte sich jeder ganz persönlich "einbringen", was ja vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis des Films ist. Und Kulturstaatsministerin Christina Weiß, hier sozusagen die Klassenlehrerin, erinnerte daran, dass der Film ja auch "zum Nachdenken" anrege. Worüber man nachdenken solle, verriet sie aber genausowenig, wie früher unser Deutschlehrer.

Also denkt jeder für sich. Festhalten sollte man zum Beispiel, dass sich die Deutschen auch zu Hochzeiten einer amerika-skeptischen Friedensbewegung ausgerechnet in einen Film mit amerikanischem Titel verlieben. Und vielleicht ist GOOD BYE LENIN! genau deswegen erfolgreich: Weil er auf unpolitische Weise politisch ist, weil er um Himmels Willen nicht anecken will, sondern reif und tolerant irgendwie Verständnis für alles hat - was ja eine sehr angenehme Eigenschaft ist, aber auch sehr stark an den von eben jenen Abgeordneten gewählten Bundeskanzler erinnert. Der fast schon etwas zu spät kommende Film zur "Neuen Mitte".

Nur eine Frage bleibt jetzt noch offen: Wer saß eigentlich in Reihe acht, Platz fünfzehn? Das war einst Honeckers Lieblingsplatz. Doch nicht etwa Gauweiler?

Rüdiger Suchsland

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