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19.12.2002
 
 
       

Frodo heißt jetzt Harry

Über DER HERR DER RINGE: DIE ZWEI TÜRME und andere Ersatzteile
 
 
Elijah Wood als Frodo
   
 
 
 
 

Wer ist jetzt grad wieder Frodo? Wer Merry? Und was will die komische Ex-Freundin von diesem Aragorn noch im Bild? Die ist doch gar nicht dabei. Es ist nicht völlig einfach, bei "Herr der Ringe" erst im zweiten Teil einzusteigen. Nicht, dass die Handlung sonderlich tiefsinnig wäre, aber die Eigenschaftslosigkeit der Protagonisten verwirrt mitunter. Drei bis vier der Hauptfiguren sind charakterlich kaum unterscheidbar. Irgendeiner ist Elb und unsterblich, hat keinen Bartwuchs, aber ein ätherisches Fluidum. Einer ist ein Baum, das kann man sich leicht merken. Einer ist klein und bärtig und will doch ein wilder Krieger sein. Das ist der Witz des Filmes und wird mehrfach wiederholt. Die Damen sind lieblich, aber leicht auseinanderzuhalten, denn die Ex ist brünett, die Neue blond. Dazwischen taucht noch die fabelhafte Cate Blanchett mit zwei Sätzen auf, obwohl sie ein besseres Leben verdient hätte.

Drei gigantische Filmtrilogien mit allem Werbe- und Verkaufs-Remmidemmi haben wir in diesen Vorkriegsjahren zu erleiden: Chris Columbus' Harry Potter, Georg Lucas' Star Wars-Prequels und Peter Jacksons Herr der Ringe. Alle drei nutzen modernste Simulations-Technik und verfügen über seltsam ähnliches Personal. Frodo ist Harry, bloß ohne Brille. Harry-Kumpel Ron ist Frodo-Kumpel Sam. Obi Wan ist Aragorn. Christopher Lee ist jeweils der böse Zauberer, und die nervtötenden Begleitgnome heißen wahlweise Jar Jar Bings, Dobby oder Gollum. Die Helden sind geprägt von einer undefinierten Gutheit. Nur Star Wars wartet mit einem erzählerischen Schnörkel auf: Mit Annakin, dem nette Jungen, der später böse werden muss.

Ansonsten hat Georg Lukas noch nie nennenswerte Ideen gehabt. Chris Columbus, Regisseur von "Mrs Doubtfire", ist Spezialist für eine unangenehme Mischung von Klamauk und Sentimentalität. Nur Peter Jackson bewies zuvor mit "Braindead" oder "Heavenly Creatures" Phantasie. Für Tolkien benötigt er keine mehr. Es muss nur alles buchgerecht bebildert werden. Verglichen mit den anderen Trilogien ist "Der Herr der Ringe" allerdings noch relativ komplex, was ja nicht schwer ist. "Die zwei Türme" folgt zunächst drei Erzählsträngen gleichzeitig, und am Ende wird sogar sowas wie Shakespearesche Tragödie angetäuscht, wenn der König Theoden mitten in der Schlacht mit der Resignation kokettiert und vermeintlichen Tiefsinn stammelt. Die Schlacht ist übrigens sehr unterhaltsam und zeigt recht anschaulich die Logistik der mittelalterlichen Burgverteidigung. Besser hätte es Peter Lustig auch nicht erklären können. Nur spannend will all das Geschepper nicht werden, denn wer hat schon Angst um Nixer wie Frodo, Aragorn oder den Mann ohne Bartwuchs. Ausser natürlich die Tolkien-Fans. Die waren schon begeistert von Peter Jacksons erstem Teil. Genauso hätten sie sich das alles vorgestellt, hieß es. Jackson genügt das offensichtlich als Qualitätssiegel. Tolkien-Skeptikern bleibt die trotzige Äußerung vorbehalten, sie hätten sich das alles wesentlich besser vorgestellt.

Denn den schlaueren Exemplaren des amerikanischen Familienfilms, wie "Monster AG", kann "Die zwei Türme" nicht mal halbwegs das Wasser reichen. Bei allem Aufwand wurde nämlich auf die entscheidenden Dollars für Charakterentwicklung und bessere Dialoge verzichtet. Früher hat B-Abenteuerschrott, etwa die Tarzan- oder Winnetou-Filme, wenigstens angemessen billig ausgesehen. In höheren Preisklassen, wie bei Steven Spielbergs "Indiana Jones", wurde immerhin mit Ironie gearbeitet. Doch Lukas, Columbus und Jackson arbeiten nur computertechnisch auf höchstem Niveau, lassen virtuelle Armeen aufmarschieren, Riesenschlangen, -Hyänen und - sonstige Viecher lebensecht fauchen und ihre Helden fliegen, zaubern und blitzschnell fechten. Die überbrodelnde Action kann die dünnen Konfektions-Märchen aber nicht vergessen lassen. Der Kontrast ist zu peinlich. Interessanterweise zeichnet sich somit ausgerechnet das Fantasy-Genre seit dem Durchbruch der Computergraphik durch wahrhaft erschreckende Phantasielosigkeit aus. Der Vorteil ist, dass sich durch die Gleichförmigkeit der drei Serien viel Zeit sparen läßt: Die Reihenfolge Harry Potter I - Herr der Ringe 2 - Star Wars/Episode 3 ersetzt drei komplette Blockbuster-Trilogien.

Richard Oehmann

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