Wer ist jetzt grad wieder Frodo? Wer Merry? Und was will
die komische Ex-Freundin von diesem Aragorn noch im Bild?
Die ist doch gar nicht dabei. Es ist nicht völlig einfach,
bei "Herr der Ringe" erst im zweiten Teil einzusteigen.
Nicht, dass die Handlung sonderlich tiefsinnig wäre,
aber die Eigenschaftslosigkeit der Protagonisten verwirrt
mitunter. Drei bis vier der Hauptfiguren sind charakterlich
kaum unterscheidbar. Irgendeiner ist Elb und unsterblich,
hat keinen Bartwuchs, aber ein ätherisches Fluidum. Einer
ist ein Baum, das kann man sich leicht merken. Einer ist klein
und bärtig und will doch ein wilder Krieger sein. Das
ist der Witz des Filmes und wird mehrfach wiederholt. Die
Damen sind lieblich, aber leicht auseinanderzuhalten, denn
die Ex ist brünett, die Neue blond. Dazwischen taucht
noch die fabelhafte Cate Blanchett mit zwei Sätzen auf,
obwohl sie ein besseres Leben verdient hätte.
Drei gigantische Filmtrilogien mit allem Werbe- und Verkaufs-Remmidemmi
haben wir in diesen Vorkriegsjahren zu erleiden: Chris Columbus'
Harry Potter, Georg Lucas' Star Wars-Prequels und Peter Jacksons
Herr der Ringe. Alle drei nutzen modernste Simulations-Technik
und verfügen über seltsam ähnliches Personal.
Frodo ist Harry, bloß ohne Brille. Harry-Kumpel Ron
ist Frodo-Kumpel Sam. Obi Wan ist Aragorn. Christopher Lee
ist jeweils der böse Zauberer, und die nervtötenden
Begleitgnome heißen wahlweise Jar Jar Bings, Dobby oder
Gollum. Die Helden sind geprägt von einer undefinierten
Gutheit. Nur Star Wars wartet mit einem erzählerischen
Schnörkel auf: Mit Annakin, dem nette Jungen, der später
böse werden muss.
Ansonsten hat Georg Lukas noch nie nennenswerte Ideen gehabt.
Chris Columbus, Regisseur von "Mrs Doubtfire", ist
Spezialist für eine unangenehme Mischung von Klamauk
und Sentimentalität. Nur Peter Jackson bewies zuvor mit
"Braindead" oder "Heavenly Creatures"
Phantasie. Für Tolkien benötigt er keine mehr. Es
muss nur alles buchgerecht bebildert werden. Verglichen mit
den anderen Trilogien ist "Der Herr der Ringe" allerdings
noch relativ komplex, was ja nicht schwer ist. "Die zwei
Türme" folgt zunächst drei Erzählsträngen
gleichzeitig, und am Ende wird sogar sowas wie Shakespearesche
Tragödie angetäuscht, wenn der König Theoden
mitten in der Schlacht mit der Resignation kokettiert und
vermeintlichen Tiefsinn stammelt. Die Schlacht ist übrigens
sehr unterhaltsam und zeigt recht anschaulich die Logistik
der mittelalterlichen Burgverteidigung. Besser hätte
es Peter Lustig auch nicht erklären können. Nur
spannend will all das Geschepper nicht werden, denn wer hat
schon Angst um Nixer wie Frodo, Aragorn oder den Mann ohne
Bartwuchs. Ausser natürlich die Tolkien-Fans. Die waren
schon begeistert von Peter Jacksons erstem Teil. Genauso hätten
sie sich das alles vorgestellt, hieß es. Jackson genügt
das offensichtlich als Qualitätssiegel. Tolkien-Skeptikern
bleibt die trotzige Äußerung vorbehalten, sie hätten
sich das alles wesentlich besser vorgestellt.
Denn den schlaueren Exemplaren des amerikanischen Familienfilms,
wie "Monster AG", kann "Die zwei Türme"
nicht mal halbwegs das Wasser reichen. Bei allem Aufwand wurde
nämlich auf die entscheidenden Dollars für Charakterentwicklung
und bessere Dialoge verzichtet. Früher hat B-Abenteuerschrott,
etwa die Tarzan- oder Winnetou-Filme, wenigstens angemessen
billig ausgesehen. In höheren Preisklassen, wie bei Steven
Spielbergs "Indiana Jones", wurde immerhin mit Ironie
gearbeitet. Doch Lukas, Columbus und Jackson arbeiten nur
computertechnisch auf höchstem Niveau, lassen virtuelle
Armeen aufmarschieren, Riesenschlangen, -Hyänen und -
sonstige Viecher lebensecht fauchen und ihre Helden fliegen,
zaubern und blitzschnell fechten. Die überbrodelnde Action
kann die dünnen Konfektions-Märchen aber nicht vergessen
lassen. Der Kontrast ist zu peinlich. Interessanterweise zeichnet
sich somit ausgerechnet das Fantasy-Genre seit dem Durchbruch
der Computergraphik durch wahrhaft erschreckende Phantasielosigkeit
aus. Der Vorteil ist, dass sich durch die Gleichförmigkeit
der drei Serien viel Zeit sparen läßt: Die Reihenfolge
Harry Potter I - Herr der Ringe 2 - Star Wars/Episode 3 ersetzt
drei komplette Blockbuster-Trilogien.
Richard Oehmann
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