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magazinartikel
jeff wall - about his own work

jeff wall in der münchner kunstakademie

Vortrag am 02. und 03.07.97

1996 erhielt der kanadische Photokünstler Jeff Wall als erster Preisträger den neu gestifteten "Kunstpreis der Kulturstiftung der Stadtsparkasse München für bildende Kunst". Die Vergabe des Preises beinhaltete eine Ausstellung im Kunstbau Lenbachhaus, die unter dem Titel "Jeff Wall. Space and Vision" vom 23.1.1996 bis 13.1.1997 gezeigt wurde. Außerdem schloß die Verleihung des Preises die Abhaltung einer Lehrveranstaltung an der Akademie der bildenden Künste mit ein. Jeff Wall kam dieser Prämisse in einer, zum Leidwesen der Studenten, kurzen Blockveranstaltung in der zweiten Juniwoche entgegen. Eine verständlicherweise kurze Veranstaltung, hält man sich seine Dokumentateilnahme und die bevorstehende Ausstellung im Museum of Contemporary Art (MOCA) in Los Angeles im Juli 1997 vor Augen. Eine zweitägige Besprechung von Studentenarbeiten folgte auf zwei öffentlich zugängliche Diavorträge mit anschließender Diskussion.

Unter dem Titel "Art-Photographie & After- & after that" referierte Jeff Wall am zweiten Juni über Einflüsse auf sein Werk seitens "streetphotographie", Film-,Video- und Computerkunst sowie Arbeiten von Künstlern vergangener Epochen, etwa Caravaggio oder Delacroix. Am dritten Juni sprach "Jeff Wall about his own work" seit Ende der 70-er Jahre. Jeff Wall zerlegte sein Werk anhand von 48 Dias innerhalb zweier intensiver Stunden methodisch, motivisch und inhaltlich.

Inhaltlich sprechen seine Arbeiten größtenteils soziale Aspekte an, wie etwa die Diskreminierung anderer Rassen in "Mimic"(1982) oder die Situation der kanadischen Ureinwohner in "bad goods"(1985). Meist geschieht dies "en passent", also nicht auf den ersten Blick oder durch den Titel der Arbeit ersichtlich, sondern durch genaues Beobachten der Bilddetails.
Motivisch gliedert sich sein Werk in drei Gruppen:
- landscapes, gängig wirkende Landschaftsphotographie mit brisanten Einzelheiten, etwa die Verhaftungsszene, der Sohn als Zeuge und das Verkaufsschild in "Eviction Struggle",(1988, 229 x 414 cm) oder "The Bridge"(1980, 60 x 229cm)
- lifescapes, das sind nachgestellte Alltagsszenen wie z.B. die rassistische Geste in "Mimic", 1982 oder "The Storyteller", 1986, 229 x 437 cm),
- und interiours, moderne photographische Genredarstellungen, wie das "Abendprogramm" in "The Ventriloquist on an evening in August, 1947", 1992, 427 x 229 cm ).
Technisch variieren in den Neunzigern "nachgestellte" Photografien mit computermanipulierten Photokonglomeraten (z.B."The Vampire Picnic", 1991, 229 x 417cm oder "Dead Troops talk, 1992, 229 x 417 cm).

Seine Arbeiten charakterisiert er als "pictive" und "narrative". Diese Aussage unterstützt seine Vorgehensweise während des Diavortrags. Abwechselnde Diapräsentation eines beispielhaften Werkes der jeweiligen Motiv-oder Werkphase, an dem der bildnerische, kompositorische, "malerische" Aufbau sichtbar wird, und danebengestellt "Bild"-Ausschnitte, deren Addition eine Erzählung oder Handlung zu Tage fördert, die widerum "social", wie es Jeff Wall nennt, verstanden werden kann.

Die Re-Inszenierung, sprich Nachstellung der Wirklichkeit auf den Photos, stellt für Jeff Wall kein Problem für den Nachvollzug von Authentizität dar. Auch die Filmrealität und -handlung ist fiktiv und wird vom Betrachter real erlebt und gefühlt, meist realer als die Wirklichkeit.
Bei seinen lifescapes greift Jeff Wall auf Erinnerungen real erlebter Szenen zurück. Diese "merkwürdigen" Szenen hält er nicht im Sinne von "streetphotographie" sofort fest, sondern rekonstruiert sie aufwendig mit Akribie auf Details. Dadurch wird die Wirklichkeit künstlerisch komponierbar. Störende oder irreführende Details entfallen, die Setzung des Lichts ist exakt bestimmbar. Komposition und Bildlicht als Verweise auf traditionelle bildnerischer Charakteristika.
In der photografischen Momentaufnahme der Formschönheit des Milchstrahls in "milk" demonstriert er die spezifische ästhetische Errungenschaft des Mediums. Und welche soziale Brisanz steckt in dem Blick des Mannes und seiner eingefrohrenen Handlung?
Zu seiner "Detailliebe" zitiert Jeff Wall die Versessenheit des französischen Regisseurs Robert Bresson, alles bis ins kleinste Detail geplant zu haben. Ihm zufolge erzielen die Abweichungen der Akteure Leben, Authentizität und Echtheit.

Als Vertiefung des chronologischen Diavortrags von Jeff Wall empfiehlt sich der von Kerry Brougher herausgegebene, standartwerkqualitative Katalog der derzeitigen Jeff Wall-Wanderausstellung, die u.a.im MOCA vom 13.7 bis 5.10.1997 zu sehen ist.

Jeff Wall wird in München u.a. von der Galerie Rüdiger Schöttle vertreten, der seinen Arbeiten zuletzt 1994 eine Ausstellung widmete. Zum Bestand der Staatsgalerie Moderner Kunst, München zählt mit "Eviction Struggle",(1988, 229 x 414 cm) eines der Hauptwerke der landscapes.

   


Nachlese von claus semerak



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