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die open art - wie es wirklich war

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open art '98 - zum 10-jährigen bestehen

spezial
transferit - zur topographie eines
städtischen öffentlichen raumes.

reihe: schon gesehen?
die kühnen dachkonstruktionen des olympiaparks in neuem glanz

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open art' 98




die open art - wie es wirklich war

Das Motto war hoch angesetzt, die Realisierung versprach Ambitiöses. Das Galerienmodell der Zukunft sollte anläßlich des zehnjährigen Jubiläums ausgelotet werden.
Ausgangspunkt war die Eröffnung am Donnerstag im Times Square Online Bistro - ein Kunstort abseits des White Cubes. Zwar sollte dort das Erlebnisspektrum des Hauptbahnhofes (zugunsten des Sponsors Deutsche Bahn AG) veranschaulicht werden, doch bot die Lokalität auch die Auseinandersetzung mit dem noch unverbrauchten Kunstmedium Internet (allerdings für DM 4.50 pro Viertelstunde). Dem gegenüber trat die Präsenz von Künstlervideos, ein Zusammenschnitt aus der Sammlung „der spiegel“ sowie ein Band von Frances Scholz, deutlich in den Hintergrund des Publikumsinteresses. Behaupten konnten sich hingegen die Geschmacksverstärker von Matthias Hammer, riesige, amorphe „Plüschdinger“, die wohltuend viel Platz im Getümmel in Anspruch nahmen. Erlebnissteigernd wirkte sich auch die großformatige Plakatkunst von Michel Majerus aus, die sich allerdings, eingereiht neben „normalen“ Werbeplakaten, vor allem dadurch (un-)bemerkbar machte, daß sie nicht beleuchtet wurde. Der Schwierigkeit beizukommen, den Durchgangsort Bahnhof zu bespielen, die sich nicht zuletzt auch bei der dokumenta in Kassel gezeigt hat, läßt sich offensichtlich nur mit megalomanen Ausmaßen lösen.
Kunst an einem Platz am Färbergraben, der sich eher als ungeschmeidige Baulücke bezeichnen läßt, war noch am gleichen Abend das Thema der transferit-Aktion, die von der Bäckerei Richart ausgelobt worden war. Zwar stand sie nicht im unbedingten Zusammenhang mit der open art, war aber dennoch Treffpunkt für Kunstgänger, da die dazugehörige Party auf dem Parkhausdeck eine zauberhafte Örtlichkeit vorstellte. Die Installationen am öffentlichen Platze füllten außerdem eine konzeptionelle Lücke, die bei der open art zu geringe Berücksichtigung gefunden hat.
Die Eröffnung der open art wurden endlich am Freitag in der biederen Rathausgalerie vorgenommen. Dort wurden außerdem skulpturale Werke von zwei jungen Künstlern gezeigt: Frank Maier zeigte mit stalagmitenähnlichen Auswüchsen und fahrbaren Gipsarbeiten eine erfrischend heitere Umdeutung der drückenden Korbbogenatmosphäre. Mit Kunstharz übergossen, schien himbeersirupartiger Ausfluß surreal-schaurige Empfindungen zu bedienen. Die plastikbespannte Verschalung des Brunnens in der Raummitte durch Wolfgang Kaiser gab zu schelmischen Umdeutungen Anlaß: „So plätschert sie dahin, die Kunst in München...“ Ohne derartigen Bosheiten Vorschub leisten zu wollen - aber, was auch im vergangenen Jahr am selben Ort aufgefallen war, ist die ausgesprochen unterschiedliche Qualität der Präsentationsarbeit der einzelnen Galerien, an deren Ständen der Besucher seine Ziele auswählen, oder gar erst zu einem Besuch angeregt werden soll.
Anders ist es traditionell nicht möglich, Herr der jedenfalls erstaunlichen Fülle zu werden. Doch bereits am Angebot war außerdem abzulesen, daß die lobenswerte Diskussionsabsicht des Galerienmodells nicht bis zu den Ausstellern durchgedrungen war. Ein befragter Galerist außerte sich dahingehend, daß neue Ausstellungsmethoden eben erst der praktischen Umsetzung entspringen. Hervorzuhebende Ausnahme bildete lediglich die Dany Keller-Galerie, die ihre Räume zum Salon umgedeutet hat. Nach eigener Aussage hat sich die Galeristin damit einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Da läd eine Couchecke zu leichtherziger Plauderei genauso wie zum Fernsehen oder Lesen ein. Zur freien Verfügung stehen außerdem Quarthefte, deren Etikett mit der Frage „Wie geht es Ihnen?“ auffordert, sich das werte Befinden ins Gedächtnis zu rufen. Eine lange Tafel samt Getränkeangebot läßt den Besucher schnell vom Galerienparcours abkommen, Schokoladenpudding „for free“ tut ein übriges. Aber auch für Aktionisten ist gesorgt: in einer Photoecke lassen sich Porträts per Selbstauslöser anfertigen. An der Wand kann man auf Papier selbst Spuren hinterlassen. Gemäß dem aktuellen Schlagwort „Kunst als Dienstleistung“ weckt der vorgestellte Ansatz Hoffnung auf neue Umgangsformen, auf einen neue Art, an Kunst herantreten zu können. Unterstützung findet dieses Ansinnen durch verschiedene Diskussionsveranstaltungen über aktuelle künstlerische Belange. Am 17. und 18. September findet beispielsweise das Thema „Chancen für außereuropäische zeitgenössische Kunst“ Gehör (jeweils 16-20 Uhr). Doch der Initative nicht genug: Dany Keller verleiht jährlich einen Galeristenpreis, der dieses Mal von der Jury der Produzentengalerie in Hamburg zugesprochen wurde.
Zu guter letzt darf man das Eröffnungsfest im Nachtcafé nicht ungenannt lassen. Das Rahmenprogramm war allerdings kaum zu bemerken. Einzig spektakulär nahm sich das essbare - aber nicht unbedingt genießbare -, zimmertürgroße Bild von Matisse alias Götz Bury aus. Aus Sparmaßnahmen wurde auf das angekündigte Hors d’Ouvre-Bild verzichtet. Man stand, wie zu vernehmen war, unter dem Druck, dem Veranstaltungsort einen Mindestumsatz hereinzuwirtschaften. Unter diesem Aspekt war die Stimmung passabel, doch sollte die Veranstaltung vielleicht auch Anlaß geben, sich über zukünftige Veranstaltungsorte der open art Gedanken zu machen und Parkgaragen mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

milena greif


open art' 98 - zum 10-jährigen bestehen




die münchner ausstellungs-szene diskutiert sich und ihre zukunft
spezial-beitrag zur open-art ‘98 (I. teil)

Ein rundes Jubiläum gilt es ausschweifend zu feiern. Nach dem einige einschlägige Galerien in diesem Jahr bereits ihr zehnjähriges Bestehen begossen haben, gilt es nun, eine Institution zu würdigen, die als Initiative Münchner Galerien dem hiesigen Ausstellungsbetrieb zumindest einmal im Jahr medien- und öffentlichkeitswirksames Leben zu spenden versucht. Zehn Jahre ‘open art’ stehen für das Bestreben, die Hemmschwellen gegenüber zeitgenössischer Kunst und ihren Agenten abzubauen. In der Tat ist es traurig, daß das Angebot Kunst und Künstler in den Galerien kennen- und verstehenzulernen, noch immer verhältnismäßig wenig genutzt wird. Fragt man nach den Gründen, so mag die Fülle an Ausstellungsräumen abschrecken, kombiniert mit dem fehlenden Vermögen, die jeweilige Qualität einschätzen zu können. Zuviele populär-kommerzielle ‘Galerien’ verschleiern den Blick der ‘Nichteingeweihten’. Doch selbst an den Orten, an denen man ein Interesse an offener Auseinandersetzung erwarten muß, wird vor Galerienbesuchen zurückgeschreckt. So gibt es an dem Institut für Kunstgeschichte beispielsweise kein Seminar, das sich - notfalls auch außerhalb der festgelegten Unterrichtsstunden - zu den Galerien und Institutionen jenseits der heiligen Staatsgemäldehallen aufmacht. Hier wird deutlich, daß es wohl auch die Verbindung von Kunst und Geld ist, die die hehre Begriffsdefinition von Kunst immer noch und immer wieder zu bedrohen scheint. Mit dieser Begriffsdefinition nur schwer vereinbar scheinen auch die künstlerischen Ausdruckmittel zu sein, die nicht dem klassischen ästhetischen und handwerklichen Urteil entsprechen. Ein paar Anlaufstellen gibt es jedoch auch in München, um ‘multimediale’ Kunst zu sehen. Was muß man tun, um mehr Menschen für das Galerienwesen zu interessieren? Wie darf sich die Ausstellungsstruktur in München verändern, um spannender, bedeutender zu werden?

Der neue Hoffnungsträger der Münchner Kultur, der städtische Referent Julian Nida-Rümelin, wird am Freitag, den 11. September die ‘open art ‘98’ eröffnen, die sich jedoch keineswegs zufrieden selbst feiern wird. Denn das große Thema dieses Jahres betrifft die Zukunft des Ausstellungswesens in München und ist somit ein gehöriges Stück konstruktive Selbstkritik. In Zeiten knapper Haushaltsmittel gepaart mit einer übergroßen Dominanz populär-kulturistischer Erscheinungen stellt sich die Frage nach den Perspektiven des Kunst- und Ausstellungswesens vehement. Konkret muß nach dem Standort München gefragt werden, der sich etwas einfallen lassen darf, um sich gegen die nationale ‘Konkurrenz’ etwa aus Berlin oder Köln behaupten zu können.

Das offizielle Motto der diesjährigen ‘open art lautet 'Modell Galerie'. Die Presseankündigung weckt hohe Ansprüche an das Gesamtkonzept der ‘open art und es bleibt fraglich, ob diese erfüllt werden können. Gespannt jedenfalls darf man auf den "faktenreichen Katalog" sein, der hoffentlich Perspektiven für die Münchner Kunstszene aufweisen und nicht nur ein Rückblick auf zehn Jahre Galerieninitiative sein wird.

Aus diesem Anlaß erscheint bei Artechock die kommenden Wochen eine Reihe, die diese Diskussionen kritisch begleiten will. Schon in dieser Ausgabe findet sich ein weiterer Beitrag zur
open art' 98
sowie eine Auflistung, der an der 'open art '98 beteiligten Galerien

Christian Schoen


zur topographie eines städtischen öffentlichen raumes.

Vorgedanken zur transferit und damit zu einer Installation von Ecke Bonk, Brunner/Ritz, M+M und Eva Schlegel/Hans Weigand im öffentlichen Raum (Sattlerstr./ Färbergraben) vom 11. - 20 Sept.

von Elisabeth Schweeger



ein nicht-ort - ein durchgangsort

Fürstenfelderstraße, Sattlerstraße und Färbergraben sind die Grenzlinien zu einem Ort im öffentlichen Raum, der sich nicht als Platz definiert, da er nach allen Seiten offen und durch befahrene Straßen eingegrenzt ist. Seine einzige Ruhezone, die ihn als Platz ausweisen könnte, ist ein Parkplatz für wenige Autos vor dem Postgebäude. Die Umrahmung des Ortes findet durch folgende Gebäude statt: Dem Postgebäude, der Rückseite des Verlagshauses Süddeutsche Zeitung, dem Parkhaus und der Einkaufsgalerie Richtung Kaufingerstraße.

Die umlaufenden Straßen führen zur Sendlinger Straße. Sie geben dem Ort den Charakter des Durchgangs. Also kein Platz zum Verweilen. Und alle Gebäude, die ihn bestimmen, sind ebenfalls von dem Begriff "Zeit" im Sinne der Vergänglichkeit geprägt:
- Zeitungsverlag: Öffentlicher InformationstrÄger und -vermittler von ephemeren Meldungen. Was heute geschrieben wird, gehÖrt morgen bereits der Vergangenheit an - wird im günstigsten Fall noch archiviert.
- Post: Kommunikationsträger, ebenfalls Vermittler von Informationen, öffentlicher aber auch privater Natur. Transfer von Wissen, Geheimnissen und Geld.
- Parkhaus: steht für Mobilitat. Ermöglicht den raschen Zugriff zu einem Transportmittel. Ist Garant für die Geschaftswelt, daß Ware rasch umgesetzt werden kann, ohne den Kunden in Streß zu versetzen. Dies heißt jedoch nicht verweilen. Der Schein trügt. Jede Sekunde kostet. Mobilitat ist damit ein existentielles Prinzip, ein Grundprinzip unserer Zeit.
- Überdachte Geschäftsgalerie: (mit Eingang zum Kaufhof) Warentausch, Konsum. Angeboten werden: Kleidung, Schuhe, Fahrräder, Lebensmittel, Teeladen, Geschenk-Haushaltsartikel. In der Passage ein kleiner Hof mit Cafe, also direkte Kommunikation.

Die Topographie dieses Ortes, im sogenannten ,,Hinterhof" zum großen, von Touristen besetzten Marienplatz und der so stark frequentierten Sendlinger Straße, läßt sich also einerseits definieren durch das Prinzip (Zeit) "Vergänglichkeit" und andererseits durch das Prinzip (Ort) "Transit" im Sinne von Durchgangsverkehr oder im Sinne von "Transfer", nämlich Transport von Waren. Ort und Zeit behaupten sich jedoch nicht im konkreten Handlungsraum, sondern bereits im virtuellen Raum, bedingt durch die Gebäude, deren Inhalt und Aufgabe auf der Ebene neuer Medien undKommunikationsmethoden basieren (elektronische Datenübertragung, Vermittlung, bargeldloser Verkehr etc.) Ein solcher Ort ist zwar in seiner städtischen Struktur noch im traditionellen Sinne zu verstehen, enthält aber durch die Gebäude, die ihn markieren eine neue, zukünftige Dimension, nämlich den des virtuellen Raumes. So sehr er im Hintergrund des aktiven Geschehens der Innenstadt als vergessener Ort erscheinen mag, so sehr behauptet er sich durch die Bedeutung der Gebäude.

Das Lebensgefühl dieses Ortes bestimmt sich nicht wirklich durch die Architektur - vor allem auch deshalb nicht, weil sich kein Gestaltungswille erkennen laßt - sondern durch den Antagonismus "konkreter Alltags-Ort / nicht faßbare Inhalte". So entpuppt er sich bei naherer Betrachtung nicht etwa als ein verlorenes Nichts, sondern vielmehr als Ort zukünftiger Realitäten - vielleicht nüchtern, vielleicht illusionslos, ohne erkennbare Ästhetik, aber niemals kommunikationslos. Also vielleicht die neue Piazza des 21. Jahrhunderts, - ein Utopia à la Thomas Morus - wo die Erinnerung an die alte Piazza, auf der sich alles traf, sich austauschte, lachte und trank, eine neue Form erhält und die Sehnsucht nach dem Miteinander neue Kriterien zulassen muß.

Elisabeth Schweeger

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ausstellung im münchner kunstverein
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besprechung von milena greif

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"the last supper" von andy warhol in der staatsgemäldesammlung
besprechung von christian schoen

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Ein Gang durch Wahnmoching im münchner stadtmuseum
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