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besprechung
vor uns die sintflut
arche 2000

eine ausstellung in der pasinger fabrik
von 06.04.2000 bis 28.05.2000

Die Kunst von Marlies Poss war und ist nicht gefällig, sie war und ist aber immer beeindruckend - kein Betrachter wird völlig unbeteiligt bleiben.
Seit rund 15 Jahren konfrontiert uns die in Pasing lebende und international anerkannte Künstlerin in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellung (z.B. 1992 in der Pasinger Fabrik) mit Kreaturen, die als Requisiten für einen Horrorfilm dienen könnten.
Oftmals ist es kaum möglich, ihre deformierten Figuren einzuordnen: Eine Mischung aus Mensch- und Insektenkörper entsteht. Sie arbeitet mit dem Werkstoff Latex, der weich und "glitschig" erscheint, in Wahrheit aber steinhart ist.
"Die Tragik unseres Lebens liegt darin, daß die Nahrung des Menschen aus lauter getöteten Seelen besteht". Diese Formulierung eines Inuit-Schamanen , sowie weitere Texte ähnlichen Inhalts (u.a. von Ernst Bloch und Elfriede Jelinek) setzt Marlies Poss nun auf eindrucksvolle Weise in ihren Kunstobjekten um. Der aufmerksame Betrachter wird am Ende der Ausstellung in ihrem Objekt "Der Schweineschrank" weitere Schlüsselsätze entdecken. Sie befinden sich in Einmachgläsern auf der obersten Ebene eines Eisenregals und lauten:
" Tierschutzgesetz" , "Die gesamte Natur als Rohstofflager" ... Auf den unteren Ebenen sind die Kadaver von Schweinen in vier Zerfallsstadien zu sehen. Das Schwein begegnet uns im "Arche 2000" Projekt noch des öfteren - es spielt sozusagen die "Hauptrolle". Da dieses Tier bereits früh domestiziert wurde, hat es seine Daseinsberechtigung allein den Umstand zu verdanken, dass es seit rund 10.000 Jahren als Nahrungsquelle und Rohstofflager dient. Wir selbst können uns am Prozess der "Aufzucht" beteiligen wenn wir den Startmechanismus der "Schweineinstallation" betätigen:
Per Knopfdruck verwandeln sich leere Hauthülsen die sich in drei Gitterkästen befinden und mit Schläuchen an einen Kompressor angeschlossen sind, in dicke, prall gefüllte Schweinekörper. Chemie macht alles möglich?
Pferde sind die Protagonisten einer weiteren Installation im Hauptsaal der Ausstellung:
Wir erblicken drei Eisengestelle, in denen die hellen Hauthülsen von Pferden kopfüber nach unten aufgehängt sind. Am Boden liegen vier verschiedenfarbige "intakte" Pferdekörper unter der Last von mehreren Holzbalken begraben. Mittels roter Schläuche werden sie am Leben erhalten - beim näheren Hinsehen fällt auf, daß eines der Tiere noch "atmet" - sein Brustkorb hebt und senkt sich mit der periodischen Zufuhr von Pressluft. Die immens wichtige Rolle, die das Pferd für die Menschheit gespielt hat wird niemand verleugnen können: Jahrtausende lang wurde es als Arbeitstier und Fortbewegungsmittel schlechthin ausgebeutet.

   
keine rettung?


Wie steht es nun mit dem Menschen, der ebenfalls ein Teil der Natur ist? Nicht zuletzt die schrecklichen Experimente des Naziregimes haben bewiesen, dass sich aus den Bestandteilen des menschlichen Körpers "alles mögliche nutzbare" herstellen läßt.
Auch wir hängen an Schläuchen. Im Zeitalter der Transplantationen sind die gesunden Organe von Sterbenden (und Lebenden) heiß begehrt - der Mensch als Ersatzteillager.
Die Technik macht es möglich.
Marlies Poss plaziert einige leere Menschenhüllen (wenn es denn solche sind) dicht aneinander gedrängt auf einen Holzsteg, der aus einem Wasserbecken herausragt - eine Verbindung zum "Ufer" besteht nicht. Ist das unser Schicksal? Eine Arche, die sich als nutzlos erwiesen hat, denn das Wasser unter dem Steg ist mit Öl verseucht. Wir haben einen Grundbaustein des natürlichen Lebens zerstört. Nichts mehr ist möglich.

angelika steer



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