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besprechung
münchen im kunstlicht - ein schnellschuß ?

münchen im kunstlicht

ein projekt des kulturreferats der landeshauptstadt münchen

von 04.12.1999 bis Anfang Frebruar 2000

München im Kunstlicht - so Titel eines Projekts, von dem böse Zungen behaupten, München hätte sich hier eine sehr teure Weihnachtsbeleuchtung geleistet. Und das auch nicht ganz zu unrecht ! Am 3. Dezember wurde das Kunstprojekt offiziell eröffnet, so daß nun alle Installationen ordnungsgemäß befestigt sind (was man nicht bei allen ganz glauben will) und München nebst Weihnachtsdeko im Licht der Kunst leuchtet. Das Kulturreferat der Landeshauptstadt hat gemeinsam mit zahlreichen Sponsoren und in Zusammenarbeit mit dem Kommunikationszentrum im BMW Group Pavillon vier Künstler eingeladen, München zu illuminieren. Nach dem Vorbild von Turin, wo vergangenes Jahr ein ähnliches Projekt mit 11 Künstlern realisiert wurde, möchte München nun selbst Vorbild für andere Städte sein. Dabei ist der Traum unserer kleinen Stadt, Weltstadt nicht nur mit Herz, sondern auch mit Kunst zu sein, offenbar mit den Veranstaltern etwas durchgegangen:
   
jenny holzer zeigt flatterhaftesl


So bleibt etwa unerklärlich, warum die Wahl auf die New Yorker Künstlerin Jenny Holzer gefallen ist. Hat Jenny Holzer doch schon im Literaturhaus bewiesen, daß ihre Kunst nicht nur teuer, sondern mitunter auch ziemlich flach ist, schießt sie im Kunstlichtprojekt den Vogel ab. Da hängen müde Transparente zwischen Baustellen, temporären Rigipswänden und einem Kabelgewirr lose und verdreht im Wind und verbreiten Weisheiten wie „Reise mit leichtem Gepäck". Gesetz dem Fall, daß man über 100%ige Sehstärke verfügt (die Transparente sind nicht beleuchtet, und die fluoreszierende Farbe der Buchstaben ist inmitten erleuchteter Schaufenster natürlich nicht zu sehen), sollen dem erschöpften Weihnachtseinkäufer hier offenbar schnell noch einmal die Schlechtigkeiten der Welt eingeimpft werden, bevor er berauscht vom Glühweinduft weiter zieht: Konsum, Gewalt und unverantwortliche Leichtlebigkeit werden in kurzen, pseudophilosophischen Sätzen angeprangert, um gleichzeitig - laut Veranstalter - oberflächliches Schauen zu kritisieren. Ob solche Sätze wie der oben genannte dabei wirklich etwas bewegen können (oder wollen) bleibt doch mehr als fraglich.

   
scheinheilige moral


Daß Jenny Holzer sich der Oberflächlichkeit auch selbst nicht ganz erwehren kann, wird einem spätestens in der Begleitausstellung des Kommunikationszentrums klar: Mit ihren moralschweren Sinnsprüchen wurde Holzer in München im Zusammenhang mit den vergewaltigten Frauen Jugoslawiens bekannt. In einer Künstleredition des SZ-Magazins zeigte sie auf tätowierten Hautflächen Sätze, von der vor allem einer besonders prägnant war: „Protect me from what I want". Die Assoziation dieses Satzes mit einem potentiellen Vergewaltiger war dabei gleichermaßen erschütternd wie eindrucksvoll. Den gleichen Satz hat Holzer nun auf einem Rennwagen der Marke BMW (und als Disco-Spot auf der BMW-Party) verwirklicht. Daß sich bei einer solchen Beliebigkeit in Hinsicht auf das Sujet auch der moralischste Zeigefinger einmal abnützt, dürfte schließlich auch Jenny Holzer nicht verborgen bleiben. Und wenn doch, dann nur, weil die Künstlerin weder bei dem Aufbau ihrer Arbeit noch bei der Eröffnung anwesend war. Das Risiko, daß der Kunstort eine Baustelle und die Installation technisch völlig unbefriedigend ist, hat sie dabei wohl in Kauf genommen. Schließlich wird bei einem Gesamtbetrag von 1,5 Millionen für das ganze Projekt immerhin ihre Gage zufriedenstellend gewesen sein !

   
weihnachtsdeko im lichte der kunst oder kunst als weihnachtsdeko ?


Etwas aufwendiger zeigt sich da das Projekt von Marco Gastini. In der Liebfrauenstraße leuchtet vor schönster Domkulisse ein bunter Lichterzauber aus Buchumrissen. Worte wie Sensibilität, Geste oder Malerei sollen dem Betrachter die Poesie näher bringen, ihn vielleicht sogar „erleuchten". Daß die Nähe zum Christkindlmarkt, ein paar Meter nur, dabei ein wenig aufdringlich ist, stört nur denjenigen, der merkt, daß es sich hier um Kunst und nicht um eine ungewöhnliche Weihnachtslichterkettenbeleuchtung handelt. Und das sind in dem Umfeld der gut besuchten Fußgängerzone wohl kaum besonders viele.
Kiki Smith und Ugo Dossi haben mit ihrem Kunstlicht auf Bewährtes zurückgegriffen: Kiki Smith hat mythologische Figuren und allerlei Nachtgetier an Drahtseile gehangen, die die Residenzstraße durchspannen und vor allem Kinder erfreuen dürften. Und Ugo Dossi hat weiße Tafeln in der Sendlingerstraße aufgestellt, auf denen im Takt der U-Bahnen verschiedene Motive als Blitzlichter auftauchen. Dabei muß man sich viel Zeit nehmen, um zu erkennen, welche Motive sich auf den Tafeln abzeichnen (etwa die Gesetzestafeln oder ein küssendes Paar), obwohl - auch wenn man meistens nichts sieht - die Verbindung von öffentlichem Raum und öffentlichem Verkehrsmittel als Konzept zumindest gut ist.

   
ein licht das durchhängt, aber immerhin ein lichtl


Wirklich beeindruckend könnte die Lichttangente von Mischa Kuball in der Dienerstraße sein. Daß auch sie den Ansprüchen von Kunst im öffentlichen Raum nicht ganz gerecht wird, liegt vor allem an ihrer schlechten Installation. Daß, was wie ein gleißender Strahl beim Kaufhaus Beck beginnt, krümmt sich und sackt ab am Ende der gegenüberliegenden Häuserzeile um bei der Post schließlich in ein zittriges Beben auszulaufen. Dabei zeigt diese wie auch die Arbeiten der anderen Projektkünstler sehr anschaulich, daß Kunst im öffentlichen Raum vielen Ansprüchen gerecht werden muß: Sie muß zunächst einmal Schnee, Regen und Sturm trotzen, ebenso wie sie sich einigermaßen in ihr Umfeld einpassen sollte - was im Falle eines Christkindlmarktes mit all seiner weihnachtlichen Atmosphäre natürlich schwierig ist. Daß diese beiden Kriterien bei allen Arbeiten kaum erfüllt sind, läßt bereits auf einen Schnellschuß in Sachen „Kunst im öffentlichen Raum" schließen, und dies noch um so mehr, da die Arbeiten für sich nicht besonders überzeugend sind und weder auf München als öffentlichen Raum noch auf die Vorstellung von Licht im eigentlichen Sinn eingehen. Hier ist die Weltstadt München vielleicht doch eher dem provinziellen Glauben verfallen, daß „große Namen" auch „große Kunst" bedeuten.
   


Dennoch ist trotz aller Kritik dem Projekt auch ein großer Pluspunkt anzurechnen, der da ist, daß über Kunst auch außerhalb des Museums debattiert wird. Um es mit den Worten Julian Nida-Rümelins zu sagen: „Kunst ist immer streitbar, und daß ist auch gut so !" - nur bleibt zu hoffen, daß man sich zukünftig unter besseren Voraussetzungen streiten wird.

christine walter



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