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besprechung
nicht was sie ist, bestimmt den wert,
wie sie es ist, ist was sie ehrt (die photographie)

photographie heute


vortragsreihe vom 21.01. bis 25.02.1999

Daß den vortragenden Verleger Lothar Schirmer gleich eingangs ein bestellter Hofphotograph aufs peinlichste umtänzelte, machte klar: Anläßlich seines 25jährigen Verlagsjubiläums wollte er auch aus dieser Veranstaltung rausholen, was nur ging. Ganz unverblümt erklärte er gleich eingangs, daß er die Zusage zur Vortragsreihe der Akademie bitter bereut hatte. Und doch hat er sich darangesetzt, einen Text ohne Punkt und Komma vorzubereiten, den er bereitwillig vortrug; übrigens ohne dabei ein einziges Bild zu zeigen.

Am liebsten sei ihm ein ein gemischtes Verlagsprogramm, das Photographie in Malerei und Film einbettet. Die "zwei Instanzen" eines Verlegers, Autor und Publikum, gelte es dann hinsichtlich der Wissensvergößerung, Bewahrung und Organisation von Material als "Fährmann" zu bedienen. Photographen setze er als visuelle Autoren gleichwertig mit Textautoren ein. Als er anfing, vor 25 Jahren, hatte das einen entscheidenden Vorteil: "Photographen waren noch zu haben, manche sogar exklusiv". Künstler hätten ihn gelehrt, worauf es ankomme: Dank Warhol wisse er, daß Gattungsgrenzen epochenübergreifend überschritten werden müßten; Beuys lehrte ihn, daß Mischformen erwünscht seien. Hochstapelei, geistigen Luxus habe er sich auf sein Schild geschrieben. Profis und anspruchsvolle Laien sind sein Publikum.
Die Typen der hauseigenen Bücher geben Aufschluß über Spektren des Bildbands: Das Extrem bebildertes Werkverzeichnis und wissenschaftliches Buch verwirft Schirmer zu Gunsten der Künstlermonographie. Anlaß genug, hier waltenden Kunsthistorikern, die immer nur für ihresgleichen schrieben, eines auf den Deckel zu geben. Die Bildredaktion dürfe deshalb auch nicht dem Autor überlassen werden, denn sonst ergebe sich ein unverhältnismäßig unausgewogenes Gesamtbild. Ein Hinzutreten einer Story zu Photobänden ist unabdingbar, sei es motivisch oder mittels Begleittext, in Form einer Autobiographie oder von Gedichten, Filmbuch oder Starbuch – anything goes. Die Zusammenarbeit mit Designern nehme mittlerweile eine zweite Autorenschaft in Anspruch.
Fasziniert ist Schirmer von der Doppelstrategie der Photographie. Einerseits bildliche Werbe- und Nachrichtenbotschaft, andererseits Kunst, profitiere das Photo von dem Appetit auf Visualisierung. Nicht jedoch der Zweck sondern "wie man es tut" entscheide über den Kunstgehalt.
Das Publikum in der Kunstakademie machte vor allem Interesse an praktischen Details deutlich. Wie viele Bücher er verkaufe? – Die ersten zwei Auflagen müßten schon bald ausverkauft sein, die dritte brauche dann meist länger; bisher, solange die Teilwertabschreibung für das Bücherlager noch gelte, produziert er etwas mehr, Verramschung immer einkalkuliert. Nach der Mischkalkulation befragt: Kommerziell erfolglose Bücher könne er sich grundsätzlich nicht leisten, schließlich hat man auch einen Namen und einen Kundenstamm zu verlieren. Es gäbe lediglich Titel in seinem Programm, die eher langfristig Absatz fänden. Überraschungen eingeschlossen: die Hochöfen von Bernd und Hilla Becher verkauften sich wider Erwarten reißend, weil so viele Ingenieure mit Stolz ihre Werke in Buchform erwerben wollten.

milena greif



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