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besprechung
lieben sie dante?

dantes göttliche komödie

eine ausstellung in der schack-galerie
vom 14.07.2000 bis zum 24.09.2000

 

 

 

 

 

 

Sind sie zudem ein Anhänger von illustrierter Literatur? Fasziniert Sie die Darstellung des Dämonischen?

Sollten Sie nur eine dieser Fragen bestätigen können, dann dürfen Sie sich die bis zum 24. September laufende Ausstellung "Dantes Göttliche Komödie" in der Schack-Galerie nicht entgehen lassen. Nachdem die Schau, initiiert von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, bereits sehr erfolgreich in Berlin gezeigt wurde, kann jetzt endlich auch das Münchner Publikum die Illustrationen und Drucke zur Divina Commedia genießen.

Seit mehr als sechs Jahrhunderten beschäftigen sich Künstler mit der bildlichen Darstellung von Dantes literarischem Meisterwerk. Nach wie vor steht vor allem die Umsetzung des Infernos, der Hölle, im Mittelpunkt des Interesses. Dem übersinnlichen Symbolcharakter des Paradiso stellten sich die wenigsten Künstler (so hat auch Dante selbst sein sprachliches Versagen in Bezug auf die Schilderung des Göttlichen moniert). Vielmehr widmeten sie sich der konkreten "menschlichen" und nachvollziehbaren Bilderwelt der Hölle. Faszination des Bösen.

Sandro Botticelli, dessen 90 erhaltene Abbildungen einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf alle nachfolgenden Darstellungen ausübten, illustrierte die gesamte Commedia. Es gelang ihm zudem - durchaus nicht selbstverständlich - den kompletten Inhalt eines Gesangs auf einer Seite darzustellen. Botticelli folgte der Textvorlage bis ins kleinste Detail, dreiteilige Bildkompositionen spiegeln Dantes Aufteilung der Gesänge in Tertien wieder. Die Herausarbeitung menschlicher Gefühle fiel der kompositionsbedingten Kleinteiligkeit leider zum Opfer.

John Flaxman, der 1793 über 100 Umrißzeichnungen anfertigte, folgt zwar Dantes Text, fügt aber erklärende Aspekte bei, die zu einem besseren Verständnis des Dargestellten führen. Die anatomischen Verzerrungen seiner Protagonisten verstärken die zentrale Bildaussage. Sein Zeichenstil, welcher der Vasenmalerei der griechischen Klassik folgt, zeichnet sich durch den minimalen Einsatz von Gestaltungsmitteln aus - Zeichnungen als Hieroglyphen. Maßgebend ist auch eine starke Symmetrie in den Darstellungen. Flaxmans Bildfolge prägte die Dante-Illustrationen des 19. Jahrhunderts.

Den klassizistischen Darstellungen Flaxmans folgten die romantischen eines Joseph Anton Kochs.
Unter dem Einfluß von Schlegel, Fernow und Carstens beschäftigte sich dieser Künstler jahrzehntelang mit der Göttlichen Komödie, wobei ihn allein die Gesänge des Inferno inspirierten. In über 200 Illustrationen verbildlichte er deren reichen Fundus an menschlichen Empfindungen und Erfahrungen - seine Dante-Begeisterung veranlasste unter anderen Karl Ludwig Fernow zu folgendem Ausspruch: "Was macht der tolle Koch? Treibt er sich noch in Dantes Hölle mit Teufeln und Verdammten rum?"

   

Ein weiterer Künstler des 19. Jahrhunderts, der sich intensiv mit der Commedia auseinandersetzte (er soll den Text sogar im Original gelesen haben) ist der englische Maler William Blake.
In starker motivischer Anlehnung an Flaxmann kreierte er seine eigene Darstellungssymbolik. Eine Mischung aus scheinbar großer Textnähe und interpretatorischen Einfügungen sind das Ergebnis.

Hatte bereits Blake mit der Symbolik der Farben experimentiert, so kreierte Jean Fautrier in den 30iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts 34 Farblithographien, deren Wirkung allein auf dem Einsatz der Farbe basiert. Er abstrahiert seine Protagonisten so extrem, dass sie nur noch als Chiffren erscheinen. Seine, zur damaligen Zeit vollkommen neuartige Darstellungsweise verhinderte die Veröffentlichung seines Werkes. Die Abkehr von der vorherrschenden Gegenstandsgebundenheit der vergangenen Jahrhunderte hatte außerdem zur Folge, dass bis dato einzelne Blätter falsch zugeordnet werden.

   


Robert Rauschenberg betont in seinen 34 Dante-Illustrationen, die er 1959 anfertigte, den technischen Gesichtspunkt. Seine sogenannten Transfer-Drawings folgen in der Komposition dem dreiteiligen Aufbau der Textvorlage. In Anlehnung an Botticelli sind seine Bilder von rechts oben nach links unten zu "lesen", wobei die Darstellung eines gesamten Gesangs auf einem Blatt das erklärte Ziel Rauschenbergs war. Zeitungsausschnitte liefern das Bildmaterial des Künstlers - so entstammt die Figur, die den Dichter Dante personifiziert, aus einer Werbeanzeige für Golfschläger. Moderne, muskelbepackte Athleten stellen die Riesen des XXXI Gesangs der Hölle dar.

Die extrem unkonventionellen Illustrationen des englischen Künstlers Tom Phillip scheinen wenig Bezug zur Commedia aufzuweisen. Die Texte, die er den meisten seiner 138 Darstellungen beifügt, stammen aus dem viktorianischen Roman "A Human Document" von W.H. Mallock.
Die teilweise abstrakten sowie gegenständlichen Abbildungen bedürfen in hohem Maße Deutungshilfen - nichtsdestotrotz sind Phillips Darstellungen eine Augenweide.

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angelika steer



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