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jana sterbak: sisyphus III

239 02|07|2002

besprechung
Jana Sterbak
I can hear you think - zwischen sinnlichem und geistigem

Jana Sterbak

eine ausstellung im
haus der kunst
von 21.06. bis 22.09.2002

Wenn Werke zu Prozessen werden und Materialien zu Akteuren, hat die Kunst einen interessanten Weg eingeschlagen. Wenn ein kleiner, bunter Spielball fast unscheinbar am Boden des Ausstellungsraumes liegt und dennoch 22 Kilo wiegt, eröffnet sich ein gewisses Paradox. Ein Paradox mit welchem die 1955 in Prag geborene Künstlerin Jana Sterbak in nahezu all ihren Werken spielt. Die Retrospektive ihrer Arbeiten wird nun im Haus der Kunst zum ersten Mal dem deutschen Publikum gezeigt.
   
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jana sterbak: I want you to feel  I do ...

Mit offenen Armen empfängt eine weibliche Figur den Besucher zu Beginn der Ausstellung. Leicht und sensibel wirkt sie durch das transparente Maschengeflecht. I WANT YOU TO FEEL THE WAY I DO...(THE DRESS) erklärt der Titel der Skultpur. Und da erglimmt plötzlich ihr Innerstes. Das lose Drahtgeflecht des Kleid-Körpers lädt sich schubweise voller Elektrizität und hält ihr Gegenüber von einem näheren Kontakt fern. Sie erblüht ganz in ihrem Eigenleben. Die Figur der Medea als mythologischer Ursprung von THE DRESS wird auf Wunsch der Künstlerin nicht etwa durch einen erklärenden Text weiter erläutert, sondern beschränkt sich lediglich auf die Idee dieser weiblichen Figur. Jegliche Melodramatik wird zugunsten einer tiefen Poesie vermieden.

Durch ihre meditative Aura nehmen die Werke Jana Sterbaks eine enorme Präsenz im Raum ein. Tiefgründig wirken sie in ihrer Fragilität und Verletzlichkeit auf den Betrachter. Literarische und philosophische Themen dienen der Künstlerin als Ausgangspunkt ihrer Arbeiten. Die Werke sind „ursprüngliche Fragen zu den Widersprüchen unserer Existenz„, so Jana Sterbak. Ihre Formensprache übersetzt diese Fragen in ein tieferes Verständnis von Situationen. Die Reihe ihrer SISYPHUS-Arbeiten kreist immer wieder um das Thema der Ausweglosigkeit menschlichen Handelns. Gefangen in einer halbrunden Gitterstruktur stößt der Protagonist auf der Suche nach dem Gleichgewicht an die Grenzen seiner Bewegungsfreiheit, während ein anderer sich in SISYPHUS SPORT (1997) mit dem Ballast eines Steinrucksacks abmüht.

   
leben nach maß
jana sterbak: vanitas

Jana Sterbaks Auseinandersetzung mit dem Mensch-Sein spiegelt sich in kleineren Installations-Arbeiten wider, die thematisch einfühlsam in Wandvitrinen präsentiert werden. In VIES SUR MESURE (1988) wurden einzelne Abschnitte eines Lebenslaufes auf ein Maßband übertragen und können nach Belieben gelesen, gemessen oder einfach nur aufgerollt werden. In der nächsten Vitrine erhält man Einblick in eine sehr persönliche Schilderung eines Lebens. In UNTITLED (FOR TERRY LAST) von 1993 wurde mit dunkelroter Tinte flüchtig etwas in ein Tagebuch notiert. Der offene Füller liegt noch auf dem Tisch, daneben ein vollgekleckstes Taschentuch. Ein kurzer Schockmoment stellt sich ein, realisiert man, dass die verblassenden Notizen mit dem Blut eines HIV-Infizierten geschrieben wurden.

Diese Wechselwirkung von Zärtlichkeit und Aggression, Verletzlichkeit und Zerstörung ist es, was Jana Sterbaks Werk so eindringlich macht. In ihrer Ruhe und Sensibilität erreichen die Installationen ganz ohne große Gesten den Betrachter und hinterlassen eine tiefe Wirkung. Dem Haus der Kunst ist es auf beachtliche Weise gelungen, dieser Formensprache in einer einfühlsamen und dennoch klar strukturierten Ausstellung gerecht zu werden. Der Titel „I can hear you think„ bewahrheitet sich.

isabella klement



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