1 0 4   1 5 0 9 1 9 9 9

magazin



 
besprechung
fritz von uhde - vom realismus zum impressionismus

fritz von uhde - vom realismus zum impressionismus

eine ausstellung in der neuen pinakothek
von 25.06.1999 bis 19.09.1999

Wäre so etwas wie eine Zeitreise möglich, würde man im München des Jahres 1899 die Sommerausstellung der "Secession" in den Räumen der heutigen Antikensammlungen am Königsplatz besuchen können. Aufsehen erregten vor allem die mit verschiedenfarbigem Damast bespannten Wände, vor denen die ausgestellten Werke einreihig auf Abstand gehängt waren ­ unter ihnen auch einige des gefeierten Malers und zukünftigen Präsidenten der "Secession", Fritz von Uhde.

Der 49jährige Künstler befand sich damals auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn: Seine Gemälde waren von den bedeutendsten Museen des Reiches gekauft worden, er hatte zahlreiche, auch internationale Auszeichnungen erhalten und war, zumindest zeitweilig, bekannter als sein Malerfreund Max Liebermann. In dieser Zeit der miteinander konkurrierenden Kunstströmungen, als Realismus gegen Naturalismus antrat, beide sich gegen den Impressionismus abgrenzten, Pointilismus und Symbolismus Avantgarde waren und allerorten "Secessionen" vom Konflikt zwischen Konservativen und Modernen kündeten, spielte Uhde eine führende Rolle nicht nur im Münchner Kunstgeschehen.

Heute ist er zwar mit einigen Arbeiten ständig in der Neuen Pinakothek vertreten, sein Leben, mehr aber noch sein vielschichtiges, im Spannungsfeld zwischen Realismus, Symbolismus und Impressionismus angesiedeltes Gesamtwerk ist auch in München weitgehend in Vergessenheit geraten. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, daß die letzte umfassende Rertospektive über 90 Jahre zurückliegt. Diesen Nachholbedarf befriedigte zunächst die Bremer Kunsthalle, von wo aus eine "Vom Realismus zum Impressionismus" betitelte Ausstellung erst nach Leipzig ging, um in Uhdes Wahlheimat München ihren Abschluß zu finden. Der Neuen Pinakothek war es zudem möglich, die übernommene Schau mit zahlreichen Exponaten aus den Beständen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sowie mit privaten Leihgaben zu ergänzen und dem Münchner Publikum Uhdes Oeuvre im Kontext seines künstlerischen Umfelds, das von Leibl und Corinth über Stuck bis Liebermann reicht, zu präsentieren.

Im Revolutionsjahr 1848 in Sachsen geboren, kam Uhde vergleichsweise spät zur Malerei; nach anfänglichen Studien in Dresden entschied er sich zugunsten einer Soldatenlaufbahn, war Teilnehmer des Deutsch­Französichen Kriegs von 1870/71 und quittierte erst 1877 den Militärdienst, um sich in München als Künstler zu versuchen. Mit Offizierspatent, aber ohne akademische usbildung und bereits 30 Jahre alt, befand sich Uhde unter gehörigem Leistungsdruck, der sich in einer konzentrierten Suche nach ästhetischen Erfolgsformeln niederschlug ­ es mußten Bilder gemalt werden, die dem Geschmack der bürgerlichen Käuferschichten entsprachen. Mitte der 80er Jahre schien Uhde das Erfolgsrezept gefunden zu haben: Sein 1884 vollendetes Bild Lasset die Kindlein zu mir kommen, in dem ein sehr realer und doch transzendent erscheinender Christus eine Kinderschar in einem Bauernzimmer empfängt, rührte nicht nur Kaiser Franz Joseph zu Tränen, es verhalf Uhde auch zum Durchbruch. Für die nächsten zehn Jahre waren seine aktualisierten, als "modern" gefeierten Andachtsbilder Garant für finanzielle Unabhängigkeit sowie anhaltende, wenn auch kontroverse Popularität. Wo beispielsweise die einen Gemälde wie das Abendmahl (1886) als begrüßenswert "ehrliche" Neuerung des Christusbildes empfanden, verurteilten die anderen, namentlich der deutsche Kaiser, dasselbe Werk als "Anarchistenfraß".

Uhde war jedoch ernsthafter Künstler genug, um sich parallel zum religiösen "Broterwerb" privat ein anderes Thema zu stellen, das ihm auf lange Sicht mehr entsprach: seine drei Töchter. Den früh Verwitweten verband ein besonders inniges Verhältnis mit seinen Kindern und der alleinerziehende Vater begleitete ihr Erwachsenwerden in zahlreichen Bildern, die heute (und teilweise auch damals) als seine stärksten angesehen werden. Die Intimität des Sujets und der nicht vorhandene Erfolgsdruck reizten Uhde zu Experimenten und halfen ihm ihm, das zeitgenössische Kinderbildnis­Genre gründlich zu revolutionieren. Zum nämlich einen zeugen die weder anekdotischen noch verniedlichenden Darstellungen seiner Töchter inhaltlich von seiner damals alles andere als selbstverständlichen Anerkennung der Individualität und Autonomie der Heranwachsenden. Zum anderen fand Uhde mit diesem Sujet formal zu einer Modernität des Ausdrucks, der ihn in die vorderste Reihe der deutschen Impressionisten rückte. Bezeichnenderweise feierte der Maler die Erfolge seiner Kinderbilder in Berlin, während er in München hauptsächlich biblische Themen ausstellte.

Schließlich sollten in seinem Spätwerk auch diese, lange Jahre als unvereinbar geltenden Stränge seines ‘uvres zusammentreffen, in den rätselhaften, fast klassisch anmutenden Engelbildern. Hier posieren Uhdes Töchter als himmlische Geschöpfe und sind mit ihren angeschnallten Flügeln doch deutlich als Modelle ausgewiesen. Seine letzte Arbeit war ebenfalls diesem Thema gewidmet und so verkündeten auch die Münchner Neuesten Nachrichten kurz nach Uhdes Tod Ende Februar 1911, während des Malens am Engelsbild sei "...dem Meister der Pinsel aus der müden Hand" entfallen, gleichsam als gelte es, eine neue Heiligenlegende in Umlauf zu bringen.

armin mühsam





galerien und museen
in muenchen

berichte, kommentare,
stellungnahmen

meinungen,
thesen, aktionen

kulturinformation
im internet