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221   20|02|2002
besprechung
balance - 3 künstler gegen das böse
balance

eine ausstellung in der
lothringer 13/halle
von 16.2.2002 bis 7.4.2002

Balance nennt sich die jüngste Ausstellung der lothringer13/halle, und Kurator Christian Schoen ließ es sich in seiner Eröffnungsrede nicht nehmen, deshalb gleich ein bisschen die weltpolitische Lage herbeizuzitieren. Wenn schon entlang der „Achse des Bösen“ alles aus dem Gleichgewicht kommt – dann ist es doch schön, wenn die Kunst sich um „Balance“ bemüht.
Wie macht sie das?
   

 

giacomettis
"l`homme au nez"



Vorgestellt werden drei zeitgenössische Künstler, zwei davon aus Skandinavien. Biennale-Teilnehmer Lars Siltberg zeigt eine Installation aus drei Projektionsleinwänden. Zu sehen ist ein „Mann mit Kugeln an Händen und Füßen“. Ein Schauspieler, den Siltberg dabei aufnahm, wie er versucht, trotz dieser Kugeln sein Körpergleichgewicht zu halten. Diese Idee wird dann – ähnlich einem Bruce-Naumann Video der 70er Jahre – durchdekliniert. Wir sehen den Mann, wie er mit seinen Plastikkugeln auf einer Eisfläche rutscht, wie er mit luftgefüllten Kugeln auf dem Wasser taumelt und wie er in den Lüften zappelt. Immer im Bemühen, Kontrolle über den eigenen Körper zu erlangen. Das Ganze ist filmisch recht konsequent umgesetzt, bleibt jedoch etwas didaktisch. Die Deutsche Dorothee Golz thematisiert Balance skulptural. Schon von 1985 ist ein an Fäden von der Decke gehängtes Objekt, dessen sich verjüngende lange Ausstülpung den Gesetzen der Erdanziehung zu widersprechen scheint. Über Giacomettis „L`homme au nez“ von 1947 geht die Arbeit jedoch nicht hinaus: Giacometti hatte einen Kopf schwebend fixiert, die Nase jedoch so verlängert, dass sie vermeintlich nach vorne kippen müsste. Originell jedoch Golz‘ Documenta X-Beitrag „Hohlwelt II“ von 1999. Ein fragil erscheinendes Objekt aus einer transparenten Kugel und einem weißen kugelig-amorphen Innenleben. Die Formen changieren zwischen Stuhl und fleischfressender Pflanze, sind gegenständlich aber nicht mehr fassbar. Der Titel greift eine phantastische Theorie auf, die seit den 1930er Jahren in manchen Köpfen spukt: die Hohlwelttheorie, nach der wir nicht auf einem Planeten, sondern in einer hohlen Blase leben. Ein schönes Märchen‚ à la Däniken, aber als Titel für die Arbeit sehr gelungen. Herausragend die Arbeit von Annika Larsson aus Stockholm. Sie nutzt in ihrer Videoinstallation „DOG“. Die Schreibweise in Majuskeln legt das Anagramm „GOD“ nahe, und das bestimmt nicht zufällig. Auch in ihrem Film scheint keine Geste zufällig. Wir sehen zwei Männer, wächsern-künstliche Gesichter vor grauem Hintergrund, und einen Schäferhund. Die Kamera filmt von unten nach oben, monumentalisiert die Figuren auf diese Weise, und kennt auch sonst die ganzen Tricks der Werbe- und der Actionfilmer: Mal wird durch den Bildausschnitt der Kopf einer Figur abgeschnitten, Effekt: ein unbekannter Bösewicht! Oder ein Close-up auf die Lederhandschuhe, Effekt: mit diesen Händen bringt er gleich einen um! Doch alle Spannungsmomente laufen ins Leere, die Gewaltsymbolik, die sich um verschiedene Ketten und den seit Adolfs „Blondie“ eindeutig besetzten Schäferhund rankt, - verpufft. Die ganze Inszenierung, von präzisem Musikeinsatz unterstützt, entpuppt sich als Spiel mit unseren Sehgewohnheiten. Das aber ist brillant gemacht.

P.S. Welt ist immer noch gleich böse.

nina zimmer



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