09.05.2013
Cinema Moralia – Folge 62

Flachheit, Dein Name ist Leib!

Swallow
Laure Prouvosts Swallow

Überbau in Oberhausen: Die Internationalen Kurzfilmtage und grundsätzliche Fragen über Flachbildschirme, flächige Bilder, flache Dramaturgien und die Flachheit der Kritik – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 62. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Man hört Atem­geräu­sche, man sieht eine sonnen­durch­flu­tete Sommer­land­schaft, Gras, Bäume, ein Fluss, ein Bergsee. Dann Früchte: Himbeeren in einer Hand, eine aufge­bro­chene Papaya an einem Mädchen-Mund, eine Rosen­blüte, Vögel auf Ästen, Fische, Schmet­ter­linge, eine Biene, Blüten, fließender Honig, Füsse, Brüste, Arme, Münder, eine Off-Stimme, die von Natur erzählt, von Tagträumen und Sinnes­ein­drü­cken und immer wieder ein offener Mund, der betont einatmet...

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»You are inside this body... its wet.« – Eine so asso­zia­tive wie genau kompo­nierte Montage aus nur scheinbar unzu­sam­men­hän­genden Bildern und Tönen, die sich zu einem bezwin­genden Bewusst­seins­strom zusam­men­fügt, der uns in einen Garten Eden zurück­führt und in das verlorene Paradies aus Adoles­zenz und Entde­ckung der Sexua­lität. Man erinnert sich an Filme von Jane Campion, Sofia Coppola und Lucille Halil­ha­zovic – drei Frauen, die im Kino einen ganz eigenen Blick auf die sinn­li­chen Gewiss­heiten unseres Lebens geworfen haben, einen Blick, der so analy­tisch kühl ist, wie konkret, nie kalt distan­ziert.
Das Thema, das hier unauf­dring­lich, aber zwingend in 12 Minuten auf der Leinwand entfaltet wird, ist die Natur und die Körper­lich­keit. Ein Film, der trotz der Begren­zung auf zwei Film­di­men­sionen, viel­di­men­sional wirkt.
Er heißt Swallow und stammt von der in London lebenden fran­zö­si­schen Künst­lerin Laure Prouvost, und lief bei den Ober­hau­sener Kurz­film­tagen im inter­na­tio­nalen Wett­be­werb. Bei der Preis­ver­lei­hung gestern Abend ging er unver­dien­ter­maßen leer aus.

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Doch nur wenige Filme passten so gut zu dem über­grei­fenden Thema und der sie in zahl­rei­chen Podi­ums­dis­kus­sionen umspin­nenden Debatte, der dies­jäh­rigen Kurz­film­tage.
Es ist in Ober­hausen guter Brauch ein Thema zu setzen, und die Fülle der jähr­li­chen, auch immer ein bisschen zufällig wirkenden Formen und Themen der Programme, die hunderte von Kurz­filmen zwischen 1 und 60 Minuten zeigen, zu bündeln, und mit einer Frage­stel­lung zu struk­tu­rieren.
Diesmal war diese Frage besonders provo­kativ: Es war das schon oft prognos­ti­zierte »Ende des Kinos« und das Auswan­dern der Filme aus dem sozialen Raum Kino in den asozialen heimi­scher Computer-Screens, oder die elitären Elfen­bein­türme des groß­bür­ger­li­chen Museums – in denen jedem Werk im Schnitt weniger als eine Minute Aufmerk­sam­keits­spanne zur Verfügung steht.

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»Flatness«, also Flachheit war der Titel der dies­jäh­rigen Sonder­schau, die sehr betont diesmal die früheren Retro­spek­tiven ersetzen sollte, und eine Art unaus­ge­spro­chener Retro­spek­tive der Zukunft entwerfen. Der Titel spielte sowohl auf den Boom der Flach­bild­schirme an, wie auf die Flächig­keit der Bilder, auf flache Drama­tur­gien und auf ober­fläch­liche Zuschauer, auf die digitale Inflation, die allge­meine Entwer­tung der Bilder in Zeiten des visual turn. Und schließ­lich ging es um die neue Künst­lich­keit, den betonten Anti-Realismus dieser neuen Bilder.

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»Flatness« erwies sich denn auch als ein durchaus tref­fendes Konzept zur Film­ana­lyse, freilich viel­leicht in einem anderen Sinn, als es von den fast ausschließ­lich briti­schen Kuratoren der Sonder­reihe inten­diert war. Oder ging es ihnen um die abschre­ckende Wirkung von Compu­ter­spie­le­reien, die (auf unsere unre­prä­sen­ta­tive Nachfrage) bereits die Mitar­beiter der Kurfilm­tage im Vorfeld größen­teils angeödet hatte.
Denn kaum einer der für den kleinen Bild­schirm fabri­zierten Filme vermochte auf der großen Leinwand stand­zu­halten. Zu seicht, zu belanglos wirkte das aller­meiste. Der Leinwand neue Kleider. Einzige Ausnahmen waren ältere Werke wie die von Sunji Terayama oder der letzte Film von Chris Marker.
Richtig albern wurde es dagegen, als man – in Anthea Hamiltons Venice (The Kabuki Version) – auch noch vor einem digitalen Standbild zu singen und zu performen anfing. Mit Kino als spezi­fi­schem Raum hatte all das überhaupt nichts zu tun.
Und so degra­dierte sich ein Festival, das doch solcher Entwer­tung des Kino­bildes Wider­stand leisten könnte und sollte selbst zur reinen Abspiel­fläche belie­biger Bilder. Als dann noch zum Ende der Reihe der Parzifal-Film von Rohmer, Perceval le Gallois gezeigt wurde – nur um das fast dreis­tün­dige Werk, nach vier Minuten abzu­bre­chen, rebel­lierten viele Ober­hau­sener Zuschauer.
So kann man mit Kino nicht umgehen – zugleich bestä­tigte die ganze Schau unter der Hand den opti­mis­ti­schen Befund, dass die Kraft des Kinos auch in Zeiten der Digi­ta­li­sie­rung unge­bro­chen ist. Die Krise des Kinos findet nicht statt. Ange­sichts der digitale Inflation wirkt die Körper­lich­keit des zwei­di­men­sio­nalen Kino-Film-Bildes um so kraft­voller und leib­li­cher. Statt­dessen erlebte man die Iden­ti­täts­krise der Muse­ums­kunst und ihr Gestammel ange­sichts der Über­for­de­rung durch die Heraus­for­de­rung durch neue Medien.

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Das Scheitern einer Retro­spek­tive spricht aller­dings nicht in jedem Fall gegen sie. Der Mut zur These und dafür, sich statt ins sichere Fahr­wasser der histo­ri­schen Schau auf eine Expe­di­tion in unbe­kanntes Terrain zu begeben, spricht vielmehr unbedingt für die Ober­hau­sener Kurz­film­tage.
Aller­dings wünschte man sich für die Zukunft unbedingt mehr kura­to­ri­sche Genau­ig­keit. Wer zum Beispiel nach dem Programm 7 (Ante­ce­dents) die zustän­dige Kuratorin Anthea Hamilton und Shanna Khanna auf der Bühne beim angeb­li­chen »Film­ge­spräch« erlebte, war erst einmal erstaunt über die soziale Inkom­pe­tenz der beiden jungen Frauen: Weder stellte man sich dem Publikum vor, noch trat man zumindest annähe­rend in die Mitte des Kinos, sondern drückte sich an die linke Seite, sodaß die Zuschauer der einen Hälfte des Saal von vorn­herein ausge­schlossen waren, noch gab es eine entspre­chende Beleuch­tung, die den Reihen ab der Mitte des Kinos überhaupt einen Blick auf die Menschen da vorn ermög­lichte.
Statt mit dem Publikum sprachen die beiden Kura­to­rinnen dann mit sich selbst, und das in einem rasend schnellen briti­schen Ober­klassen-Englisch, das nicht übersetzt wurde und so auch Menschen mit normal­guten Englisch­kennt­nissen ausschloß.
Zumindest auf derarige elemen­tare Präsen­ta­ti­ons­re­geln müssen die Kurz­film­tage, bei denen die Film­ge­spräche nach die Kino seit jeher von unter­schied­li­cher Qualität – von »super« bis »sauschlecht« – sind, in Zukunft mehr achten.
Inhalt­lich sprachen die beiden Frauen dann von Bresson und Rohmer wie Blinde von der Farbe, oder besser gesagt, wie zwei junge filmferne Kunst­stu­den­tinnen, die gerade zum ersten Mal ein paar Autoren­filme entdeckt haben, und nun glauben, die ersten zu sein, die Bresson entdecken, und ansonsten immer noch darüber staunen, dass Kino etwas mit ihrem Kunst­stu­dium zu tun hat. Das alles kann man dem über­durch­schnitt­lich infor­mierten Ober­hau­sener Publikum nicht zumuten.

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Dem unglück­liche Auftritt folgte eine Podi­ums­dis­kus­sion zur gesamten Reihe am nächsten Morgen, die den gene­rellen Eindruck, noch erheblich vers­tärkte, dass es sich bei der »Flatness«-Schau in erster Linie um die Insi­der­ver­an­stal­tung von ein paar Freunden von der Londoner Tate-Modern handelte, von denen sich die Kurz­film­tage hatten kapern lassen – und die offen­kundig in Ober­hausen ganz besonders gute Karten hat, denn auch in den Jahren davor war dieses Museum nach meinem Eindruck über­pro­por­tional in Ober­hausen vertreten.
Auf der Bühne saßen moderiert von Adam Pugh, Kurator und Autor (Norwich), die »Flatness«-Kuratorin Shama Khanna, mit ihren Co-Kuratoren Anthea Hamilton und Ed Atkins und der Berli­nerin Vera Tollmann. Die Veran­stal­tung war – für Ober­hausen völlig unüblich – ein ziem­li­ches Gefasel, schlecht, partei­isch und unkri­tisch moderiert. Ein Insi­der­ge­spräch der vier offen­kundig befreun­deten und mitein­ander vernetzten Briten, bei dem die einzige deutsche Teil­nehmer nur dreimal zu Wort kam und weit­ge­hend ausge­schlossen war – Freunde der Verschwörungs­theorie konnten das bereits zu Beginn an der Sitz­ord­nung ablesen.
Erstaun­lich war aber vor allem die Ratlo­sig­keit und Verwir­rung unter den Kuratoren, sodass man den Eindruck hatte, die wussten selber nicht, was sie in ihrer Schau überhaupt taten. Selten hörte man auf einer Bühne so oft Sätze wie »What am I telling about?« (Khanna), »What was my point?« (Hamilton), »Was ich mag an Artaud ist, dass ich es nicht richtig verstehe« (Khanna) und »I've lost my argument« (Khanna), das man nur mit viel Wohl­wollen noch als Perfor­mance eines »The great 'I don’t know'« (Atkins) produktiv machen konnte. Auch Phrasen wie »politics with a big P« (Khanna) führten nicht weiter.

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Das alles fiel auch deshalb so sehr ins Gewicht, weil die zentrale Hypothese ja so spannend war. In ihrem Grund­sat­z­essay
 erläutert Shama Khanna: »Im Mittel­punkt des Film­pro­gramms zum Thema ›Flatness: Kino nach dem Internet‹ steht der Gedanke, dass die Zeit, die wir mit Arbeit und mit der Pflege sozialer Kontakte vor dem Bild­schirm verbringen, die ›Rundheit‹ unserer wirk­li­chen Lebens­er­fah­rung abflacht und jede mensch­liche Regung so stan­dar­di­siert, dass sie zu einer algo­rith­mi­schen Übung wird. ... Das Festival bietet uns Gele­gen­heit, das Kino­er­lebnis mit dem Anschauen von Bewegt­bil­dern auf dem Laptop oder anderen mobilen Displays zu verglei­chen. Im Flatness-Programm geht es nicht zuletzt um die Rolle des physi­ka­li­schen Raums des Kinos im Verhältnis zum Internet und dieser imma­te­ri­ellen Kultur ganz allgemein. Wie wirken sich ein gestei­gertes Gefühl von Dauer und die soziale Erfahrung im Kinosaal darauf aus, wie wir uns mit der enträ­um­lichten Welt hinter dem mobilen Display ausein­an­der­setzen?«
»Flatness« als neue Tatsache zu sehen, vor der das Kino zu kapi­tu­lieren hat, ist aller­dings genauso beschränkt, wie nur die Diagnose einer Reduktion zu konsta­tieren. Leider neigten die Kuratoren hinter ihrer allzu heiteren Fassade zu kultur­pes­si­mis­ti­schen Posi­tionen, in denen dann beispiels­weise die »Ungeduld des Zuschauers« beklagt wird – nachdem man wie gesagt Tags zuvor Rohmer nach vier Minuten abge­schaltet hatte. Statt Ungeduld könnte man die schnel­leren Aufmerk­sam­keits­rythmen ja aber auch als Neugier begreifen.

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Sowieso ist es eine Frage, ob ausge­rechnet bei diesem Thema der Rückzug in die »Kunstecke« ein kluger Schachzug war. Man ist ja in Ober­hausen keines­wegs gegen die Kunst die Ober­flächen, seit Jahren zeigt man Musik­vi­deos über deren künst­le­ri­schen Rang man im Einzel­fall durchaus streiten kann. Was dagegen kaum gezeigt wird, ist Werbung. Dabei handelt es sich natürlich um Kurzfilme, und mitunter um sehr zeigens­werte. Spätes­tens da, wo man offensiv von der »Verfla­chung von Zeit und Emotion im ratio­na­li­sierten Datenraum des Internets« handeln möchte, hätte man Filme inte­grieren können, in denen die Grenze zwischen Kunst und Werbung aufgelöst wird. Nehmen wir etwa jene kurzen Filme die unter dem Titel Women’s Tales vom Label »Miu Miu« veröf­fent­licht worden (http://www.miumiu.com/en/women_tales/5/film) waren. Die Film­fest­spiele von Venedig hatten die vier ersten 2012 gezeigt. Regis­seu­rinnen wie Lucretia Martel, Zoe Cassa­vetes, Massey Tadjedin und andere sind verant­wort­lich für Filme, in denen Werbung auch Kunst ist. Und den unbe­darften Londoner Kura­to­rinnen hätte man eine öffent­liche Gesprächs­part­nerin wie Julia Reben­tisch gegönnt, Profes­sorin für Philo­so­phie und Ästhetik an der Offen­ba­cher Hoch­schule für Gestal­tung. Reben­tisch hat in ihrem überaus lesens­werten Buch »Die Kunst der Freiheit« (Suhrkamp Verlag, 2011) eine Theorie zeit­genös­si­scher Kunst entwi­ckelt die in ihrer Vertei­di­gung der Ästhe­ti­sie­rung allemal für manche Ober­hau­sener Posi­tionen provo­kativ ist.

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Man bekommt in Ober­hausen, voraus­ge­setzt man wagt sich nicht in eines der Restau­rants der Fußgän­ger­zone in der Umgebung der Festi­val­orte – sehr gesundes Essen. Viel Grün, wenig Fleisch alles Bio, und weniger aufdring­lich als bei Dieter Kosslick. Aber man bekommt es in Plas­tik­weg­werf­schalen, und so gibt es jeden Tag gegen Nach­mittag auf der Ober­hau­sener Fußgän­ger­zone das gleiche potthäss­liche Bild einer von Plas­tik­schalen über­quel­lenden Mülltonne, von der sich die Vögel der Stadt nähren.

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Ganz anders dagegen die Podi­ums­dis­kus­sion um das auch nicht gerade neue Thema »Ende des Kinos«. Bert Rebhandl sprach mit dem Film­his­to­riker Thomas Elsässer (und das, nur am Rande, in der Elsässer Straße ;-) und der hatte in seinen Ausfüh­rungen vor allem den Vorteil der Präzision: Heute seien Filme zum Eigentum geworden, man besitze sie und horte sie zuhause, früher habe man sie einmal gesehen, mitunter erst nach Jahren der Suche, und sich dann an sie erinnert, weil es weder DVD noch VHS gab, um Erin­ne­rung zu über­prüfen. Inter­es­sant, so Elsässer, sei es gerade dann geworden, wenn man sich falsch erinnerte, und jene Fehler einem verrieten, »was der Film mit einem gemacht hat.«
Trotz solcher Kommen­tare wurde die Diskus­sion nie zum nost­al­gi­schen Lob der Knappheit, der Filmnot, aber sehr wohl war klar, wie Überfluss an Filmen und Wieder­hol­bar­keit die singuläre Erfahrung und das einzelne Werk entwertet. Klar war auch: Das Ende des Kinos findet nicht statt, sondern sein Wandel.

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Eine Flachheit eigener Art ist die der Film­kritik, die jeder Hinsicht ihr eigenes Kreuz zu tragen hat, deren Probleme sich aber in den Ober­hau­sener Themen­set­zungen aber präzise spie­gelten: Statt »Flachheit der Bilder« könnte man auch »Flachheit der Bild­be­trach­tung und ihrer Texte« setzen, statt »Ende des Kinos« auch »Ende der Film­kritik«.
Und wenn Festi­val­leiter Lars Hendrik Gass in seiner Eröffnung davon sprach, man wolle die »Öffent­lich­keit annehmen« und zugleich »nicht nur verstehen, was wir waren, sondern auch, was wir werden könnten und werden wollen«, dann hat er exakt die Aufgabe umrissen, die sich jeder Film­kritik stellt, die sich im Sinne Siegfried Kracauers auch als Gesell­schafts­kritik versteht, die Aufklärung mit Erfahrung zu einer Haltung verbinden möchte.
Ober­hausen ist seit jeher ein Ort für die Besseren der Zunft, hier gibt es keine Star-»Junkets« am Schwei­ne­trog des Massen-PR-Betriebs. Statt­dessen gab es eine Selbst­re­fle­xion des Kriti­ker­be­triebs in einem Symposium des »Verband der Deutschen Film­kritik«, die unter dem Titel »How would Kracauer do it?« stattfand. Wir wollen hier nicht so tun, als seien wir neutral, denn ich selbst habe geplant und moderiert, Redak­ti­ons­kol­legin Dunja Bialas war auf dem Podium, zusammen mit geschätzten Kollegen. Wir wollen die Debatte in nächster Zeit noch ausführ­lich darstellen.

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Die beste Wider­le­gung der Flatness-Theorems waren aber die Filme des übrigen Programms: Der Große Preis der Stadt Ober­hausen ging an einen Film aus der Türkei: Off-White Tulips – zu deutsch etwa: »Gebrochen Weiße Tulpen« – von Aykan Safoğlu ist eine Hommage an den exilierten schwarz-ameri­ka­ni­schen Schrift­steller James Baldwin, dessen Leben in der Türkei der Regisseur mit einer eigenen Erkundung seines Heimat­landes verknüpft – eine Außen­sei­ter­exis­tenz in unserer Zeit.

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»Ein Gespenst geht um...«: »Und auf die Erbschaft zurück­kom­mend legt er den Gedanken nahe, eine Erbschaft sei eine an sich unge­rechte Sache, obwohk er sich über diese freue, und werde eines Tages bei der nächsten Revo­lu­tion abge­schafft.«
Ein weiteres Highlight in Ober­hausen widmet sich ebenfalls einem Schrift­steller: Julian Radlmaier, Student an der Berliner DFFB, folgt in seinem 45-Minüter Ein Gespenst geht um in Europa dem sowje­ti­schen Revo­lu­ti­ons­dichter Wladimir Maja­kowski und versetzt ihn ins heutige Berlin, in die Welt der Zeit­ar­beiter und der hyper­ka­pi­ta­lis­ti­schen Ausbeu­tung. »Ein supre­ma­tis­ti­sche Komödie« nennt der Regisseur seinen sehr witzigen, auch gewitzten Film, in dem im Unter­schied zu manch anderem Werk Form und Inhalt eine innige Verbin­dung eingehen. Wir kommen auf den Bild demnächst zurück, aber schon jetzt kann man fest­stellen: Dies ist eines der zu seltenen Beispiele, in denen ein junger Filme­ma­cher Mut zeigt, statt voraus­ei­lendem Gehorsam, sich nicht forma­tierten Sehge­wohn­heiten anpasst, sondern versucht, neue zu prägen.

(To be continued)

Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beob­ach­tungen, Kurz­kri­tiken, Klatsch und Film­po­litik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kino­ge­hers.