12.01.2012
Kinos in München

Das Monopol

Das Foyer der Monopol-Raum-Sphäre
Foto: Barbara Donaubauer

Filme werden fürs Kino gemacht, hieß es einmal in einer Kampagne. Weil dies im Zeitalter von DVD und erhöhten Kinomieten mehr denn je keine Selbstverständlichkeit mehr ist, stellen wir die Kinos in München vor, die unbedingt einen Besuch wert sind.

Mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturreferat München

Das Monopol – Ein Kino verortet sich neu

Von Dunja Bialas und Teresa Lemme

Zum Auftakt unserer neuen Serie, in der wir Münchner Arthouse-Kinos vorstellen, erreichte uns gleich eine schlechte Nachricht: Das Atlantis-Kino, Münchens beliebtes OmU-Kino, wird im März schließen. Laut unseren Informationen soll das Eldorado (das ebenso wie die City-Kinos und das Atlantis dem Arthouse-Kino-Mogul Georg Kloster untersteht) an die vakante Stelle treten und fortan Filme im englischsprachigen Original mit deutschen Untertiteln spielen. Heißt in der Summe: Schon wieder zwei Kinoleinwände weniger.

Aber München ist nicht nur von Kino-Schließungen betroffen, es gibt Kinobesessene und Kinoleidenschaftler, die entgegen aller möglichen Widrigkeiten einfach weitermachen. Das Monopol, das 2005 als werbefreies Arthouse-Kino in Nordschwabing neben den mainstreamig ausgerichteten Kinos Münchener Freiheit und den Leopold-Kinos den Betrieb aufgenommen hat, ist, ganz entgegen seinen Namen, für die Vielfalt im Kino angetreten. Dann schien es in seinem Bestand gefährdet: Seit 2008 schwebte die Abrissbirne über seiner Behausung in der Feilitzstraße. »Das Monopol muss dichtmachen«, hieß es noch 2009, und nur der Finanzkrise war es zu verdanken, dass das Kino mitsamt der legendären Kneipe Schwabinger 7 noch zwei Jahre Aufschub bekam. Im Sommer 2011 war es dann aber soweit: Das Haus wurde abgerissen, die Schwabinger 7 öffnete zum letzten Mal seine dunkelgetäfelten Räume, viele bierseelige Stammgäste wurden heimatlos – nur das Monopol zog kurzerhand um. Wie ein Phönix aus der Asche, so könnte man vielleicht etwas pathetisch, aber voller Anerkennung sagen, entstieg es im August 2011 seiner neuen Behausung in der Schleißheimer Str. 127. Wir haben dem »neuen« Monopol einen Besuch abgestattet und fanden drei gepflegte Säle und zwei Kinomacher vor, denen die unbändige Lust am Kino ins Gesicht geschrieben steht.

Nicht McDonald's, sondern Basic

»Direkt am Nordbad gelegen«, heißt es auf der kinoeigenen Website über das Monopol. In der Zeit, als die ersten Gerüchte über den Neustart des Monopols aufkamen, hieß es, sie hätten Räume in der Schleißheimer Straße gefunden, »schräg gegenüber vom Basic«. Dieser Wegbeschreibung sind wir gefolgt. Befindet man sich dann, von der Straßenbahn kommend, auf der Höhe des Basic, sieht man tatsächlich auf der anderen Straßenseite das blaue Schild des Monopol-Kinos leuchten – allerdings trennen einen Tramgleise und die vorbeirauschenden Autos vom Kinovergnügen mit dem durchaus ernst zu nehmendem Hinweis: Hier kein Übergang. Besser gelangt man zum Monopol, wenn man, am Nordbad aussteigend, die Straßenseite nimmt, wo unübersehbar die McDonald's-Ms leuchten, um dann etwas höher, direkt neben einem Supermarkt-Discounter, den Monopol-Eingang zu finden. Diese Wegbeschreibung aber wäre, das merken wir bald bei unserem Besuch, nicht mit der Philosophie der Kinomacher konform.

Beim Monopol angelangt, bahnt man sich zunächst zwischen vollgestellten Fahrradständern und Hausbriefkästen den Weg zum Eingang. Von dort führt eine unscheinbare Treppe einen Stock tiefer, bevor man ins Kinofoyer und den eigentlichen Eingangsbereich gelangt. So ganz glücklich sind die Betreiber nicht mit der Eingangssituation, das Kino könnte sichtbarer sein, sagt Markus Eisele, neben Christian Pfeil Betreiber des Monopols, aber verwöhnt sind die beiden »Monopolisten« nicht. Schließlich musste man früher an lärmenden Flipperautomaten und grellem Disco-Fever vorbei erst in den oberen Stock gelangen, wo ein dunkler Gang den Besucher in die Kinos schleuste.

Oben, neben dem Büroraum und Think Tank des Kinos, können wir noch einen kurzen Blick in die ehemalige Gaststätte erhaschen, zu der einst die Kegelbahn gehörte, die jetzt zum Kino umgebaut wurde. Wir sehen einen leergeräumten Raum, vereinzelt stehen noch Brauereistühle herum – ein aufgelassener Ort und momentanes Brachland. Eine neue Schwabinger 7 aber wird sich hier sicherlich nicht niederlassen. Die Einwohner, die sich mit dem Kino den Aufzug teilen, sind froh, die Kneipenzeit hinter sich zu haben.

Dann schon lieber ein gepflegtes Kino

Statt dem gepflegten Pils genießen die Anwohner lieber die Vorzüge eines gepflegten Kinos: Im neuen Monopol herrscht klare Eleganz, in der keine störenden Details vom Wesentlichen ablenken, es präsentiert sich ganz und gar »basic«, und hier stimmt dann plötzlich die kolportierte Wegbeschreibung. Das lange, geräumige Foyer empfängt den Besucher mit hellen, klaren Linien und Bauhaus-Sichtbeton, einem großen Holztresen für die beiden Kassen und die Bar samt Getränkekühlschrank und Espressomaschine, an der Decke blitzen dicke Aluminiumrohre, die für die Belüftung der Kinos sorgen. Die Reduziertheit ist gewollt, die Nacktheit der Sitzecke, in der man noch einen Espresso oder ein Bier vor dem Film trinken kann, dem rasanten Umzug geschuldet: In nur drei Monaten haben die Monopol-Macher die Kegelbahn im Keller in ein modernes Kino mit drei Sälen verwandelt. Noch ist das Foyer mehr Wartebereich als Kinolounge, und die Betreiber selbst würden hier nach dem Film kein Bier mehr trinken wollen, es soll aber, wenn wieder Geld und Luft vorhanden sind, auf jeden Fall gemütlicher werden: mit Kinoplakaten und bequemeren Sitzgelegenheiten, wie Eisele kurz skizziert.

Der Schauspieler und der Manager

Noch aber hocken wir auf den durchaus hippen, umgestülpten »Fritz Cola«-Kästen an einem kleinem Bistrotisch. Markus Eisele sitzt uns gegenüber und erzählt mit großer Lust von seinem Metier. Christian Pfeil ist gerade außer Haus, hat uns aber noch im Schnelldurchlauf das neue Kino gezeigt. Christian Pfeil, Markus Eisele: Es ist Zeit für eine kurze Vorstellung der Monopolisten. Kennengelernt haben sich der Schauspieler und der Kulturmanager im Jahre 2005, als beide zeitgleich und unabhängig voneinander die Idee zu einem werbefreien Kino hatten. Eisele startete mit den Inselkinos auf der Museumsinsel gerade neu durch, als er hörte, dass in Schwabing ein Kino aufgemacht habe, das Monopol, wie seine Kinos werbefrei. Pfeil und Eisele trafen sich und freundeten sich an. Zusammen sind sie dann 2006 ins Arena eingestiegen, als nach der kurzen Zwischennutzungszeit auf der Museumsinsel für die Inselkinos das Aus kam. Hier begann die eigentliche Zeit der Monopolisten, die mit für München ungewohntem Elan ihre Ziele verfolgen: Das Arena wurde umgebaut, das Monopol verschrieb sich der digitalen Projektionstechnik. Die Aufgabe des Kinomanagement teilt sich bei ihnen seitdem in zwei Rollen auf, die irgendwie auch mit der Persönlichkeit der beiden zu tun hat: Pfeil ist als Schauspieler eher der Netzwerker und Strippenzieher, Eisele als Kulturmanager der, »der die anderen Sachen ausbaden muss«, wie er augenzwinkernd sagt. Beiden ist gemeinsam: Wenn sie von der technischen Ausstattung im Monopol erzählen, bekommen sie leuchtende Augen.

State of the Art

Ordentlich aufgetischt wurde im neuen Haus nämlich in Punkto Projektionstechnik. Man hat ausschließlich auf Digital gesetzt; gab es früher als Standard immer noch die Möglichkeit, 35mm-Filmkopien abzuspielen, ist diese Ära endgültig vorbei. In den beiden größeren Kinosälen mit 109 bzw. 52 Plätzen präsentieren die Monopolisten jetzt »state of the art«, D-Cinema-Technik in 2 K Auflösung (für alle, denen dies etwas sagt). Der kleine Saal mit E-Cinema und 1,4 K fällt dagegen technisch ein wenig ab. Bessere Technik in dem 38-Plätze-Saal wäre »als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen«, so Pfeil.

Noch während uns Eisele von den Vor- und Nachteilen der digitalen Technik erzählt (»man muss nur noch Knöpfchen drücken, wenn aber was nicht stimmt, ist das undurchschaubarer«, außerdem überhole sich die Technik wahnsinnig schnell), kommt es im Kino zum Massenumzug des Publikums aus dem einen Saal in den nächsten. Die Festplatte, auf der die Filmdateien liegen, ist nicht zu starten. Aber auch der Umzug hilft nichts. Schließlich kommt raus: Der Codierungsschlüssel, mit dem alle Festplatten, die über die Servertechnologie laufen, »geknackt« werden müssen, war nicht der richtige. Die Vorstellung muss ausfallen, als Trost wird dem Publikum ein Freigetränk ausgegeben (und, klar, das Eintrittsgeld zurückgezahlt). Dies alles mit stressfreier Professionalität und guter Laune: von keinem Personal ließe man sich lieber so »abspeisen«, die studentischen Mitarbeiter strahlen Gelassenheit und Freundlichkeit aus. Hinterher allerdings sagt eine Mitarbeiterin, die schon beim alten Monopol dabei war, dass sie jetzt als Filmvorführerin eigentlich überqualifiziert sei.

Die Kino-Ideologen

Viele Cineasten, das sei an dieser Stelle gesagt, können sich nicht wirklich für die digitale Projektionstechnik erwärmen – zu scharf, zu hell ist das Bild, bisweilen auch eigentümlich flach und irgendwie steril. Auf der anderen Seite, und das erkennen auch Cineasten an, gibt es immer mehr Filme, die digital gedreht wurden, und die ein kostspieliges Umkopieren auf 35mm nicht rechtfertigen. Hier ist dann das Digitale das »ehrlichere« Projektionsmittel. Von diesen Überlegungen aber wollen Eisele und Pfeil nichts wissen, sie haben ihre Position gefunden und stehen der neuen Technik mehr als positiv gegenüber.

Nicht nur in Sachen digital – analog folgen die Monopolisten einer klaren Ideologie. Pfeil vertritt bei der Lokalbesichtigung vehement die Idee der Leinwand ohne Cache, also die nackte, nicht durch schwarzes Molltuch abgegrenzte Projektionsfläche. Für uns sehr ungewohnt, in anderen Ländern wie Frankreich ist dies aber Standard. Dennoch: Bei der Projektion ergibt sich ein irritierendes Streulicht, die bloße Leinwand rechts und links vom gestochen scharfen Digitalbild wird auf unangenehme Weise mitbeschienen. Aber auch bei den Sitzgelegenheiten im Kino kennen die Kinomacher keine Kompromisse: Die Sessel, die sie aus dem Filmcasino übernehmen konnten, sind extrem bequem, die Sitzreihen haben einen guten Abstand und auch im kleinen Kino, das recht schnell sehr voll wird, rückt man sich nicht auf die Pelle. Wir haben auch gleich unseren Lieblingsplatz gefunden, als wir uns nach dem Gespräch ins Kino begeben: Im großen Kino ist das eindeutig die erste Reihe, in der man bequem seine Füße auf der Bühne ablegen kann und immer noch genügend Abstand zur Leinwand hat.

Die Entscheidung, keine Werbung vor dem Film zu spielen, heißt nicht, dass man absolut pünktlich zum Vorstellungsbeginn eintreffen muss, um den Anfang nicht zu verpassen: Es gibt reichlich Filmvorschauen zum kommenden Programm. Die Werbefreiheit erscheint für ein kommerzielles, was heißt auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Kino, sehr ungewöhnlich. »Die sind aber ohnehin eine nur geringe Teileinnahme in einem Programmkino«, klärt uns Kulturmanager Eisele auf. Lieber arbeiten sie eng mit den Verleihern zusammen, highlighten bestimmte Filme in ihrem wöchentlich ausliegenden Kino-Flyer oder drehen eine neue Folge der »Monopol-News«, eine Art Trailer-Rolle, mit der in Sketchen aktuell anlaufende Kinofilme ankündigt werden. Christian Pfeil und sein Schauspieler-Kollege Marcus Morlinghaus haben dafür 2008 den Schwabinger Kulturpreis erhalten. – Die Leute mit Spaß auf Niveau bringen, ist ihre Devise.

Ein echter ideologischer Grabenkampf entspannt sich im Gästebuch rund um das Thema »Popcorn«. »Warum habt ihr hier kein Popcorn?« scheint die einzige Frage zu sein, mit der sich die Besucher wirklich herumschlagen. Hier findet Eisele klare Worte. »Popcorn ist eine Zumutung«, deshalb werde es weder verkauft noch geduldet, dass Besucher es einschmuggeln (was fast schon einmal passiert wäre). Es stinkt, macht unglaublich viel Arbeit. Und: Es ist überall. Sogar in den Kinosesseln, die man aus dem Filmcasino übernommen hat, fanden sich Popcornreste in allen Ritzen. »Wir sind ein Filmkunstkino, und hier gibt's leider kein Popcorn!«

Grabenkampf ums Popcorn: aus dem Gästebuch des Monopol

Stadtteilkino im Aufbruch

Auch wenn deshalb der eine oder andere Kinobesucher, für den ohne Popcorn nichts geht, enttäuscht wieder abzieht, und man das dann auch in Kauf nimmt, gilt: Es wird neben der Programmierung der Filme auch und vor allen Dingen auf die Finanzen geschaut. Die Filme selbst sind im Monopol einem harten Konkurrenzkampf unterworfen, wie in anderen Kinos auch. »Wir wollen Arthouse spielen, aber nicht auf Teufel komm raus.« Wenn also ein Film nicht so gut läuft, bleibe er nicht etwa deshalb im Programm, weil er es so schwer hat, sondern er fliegt im Zweifel aus dem Programm heraus. Geprobt wird gerade auch, sich als Stadtteilkino zu formieren, mit einem Zugeständnis an den Mainstream, der unbedingt zu einem Kino, das die breite Bevölkerung ansprechen will, dazu gehört. Bislang lief das nicht wirklich gut und die Mainstream-Filme bleiben in jedem Fall eine Randerscheinung, wie Eisele versichert. Wie schwierig es sein kann, sich als Arthouse-Kino auch als Nachbarschaftskino zu etablieren, kann am Beispiel der älteren Dame erahnt werden, die sich an der Kasse über das wackelnde Bild in Lars von Triers Melancholia beschwert. »Das gehört so?« – Und sie rauscht ab.

Der eigentliche Vorzug des Monopols ist aber die Tatsache, Arthouse in drei Sälen spielen zu können. Damit hat sich das Haus viel Flexibilität und ein klares Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Arthouse-Kinos der Stadt geschaffen. Hier können auch kleinere Filme im Programm mitlaufen, und einige Besucher, mit denen wir im Foyer sprechen, erzählen uns, dass gerade diese Tatsache sie ins Monopol geführt hat: Dass nur hier der neue Film mit dem Bierbichler zu sehen ist. Dafür seien sie extra aus dem Münchner Umland hergekommen. Ein sehr überregionales Stadtteilkino also.

Bewährt habe sich auch die Möglichkeit, dass im Monopol jetzt auch Premieren abgehalten werden können, zu denen die Filmemacher anwesend sind. »Wir haben fast jede Woche einen Regisseur zu Gast«, sagt Eisele, und schwärmt, wie sich dann das Foyer in einen durchaus glamourösen Ort verwandelt. Auch die Bühne im größten Saal ist wie geschaffen für ein lebendiges Kino, in dem die Besucher mit den Akteuren der Filme in Kontakt kommen können.

Dass sich der Umbau einer Kegelbahn zu einem Kino mit drei Sälen, die sich alle auf bestem technischen Standard befinden, im Ticketpreis niederschlägt, kann sich jeder ausrechnen. Ein kleiner Wermutstropfen, über den man sich bei einem Plausch mit den netten Mitarbeitern bei einem Cappuccino hinwegtrösten kann. Und vielleicht trifft man dann auch Markus Eisele oder Christian Pfeil persönlich am Kinotresen. Die verkaufen nämlich immer wieder selbst die Tickets, um den Kontakt und das Gefühl für das Publikum nicht zu verlieren. Dafür steckt zu viel Herzblut im Projekt, so viel, dass sie das gleichzeitig betriebene Arena mittlerweile schon ein wenig vernachlässigen. Das Monopol ist ihr gemeinsames Baby, auch wenn der eigene Nachwuchs selbstverständlich an erster Stelle steht.

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