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17.02.2007
 
 
     
Berlinale 2007
Zwei alte Meister

 
Film von Freundschaft und vom Sterben: LES TEMOINS von André Téchiné
 
 
 
 
 

Neue Werke von André Téchiné und Paul Schrader

Ein Taumel: Emmanuelle Béart hastet über die Leinwand, und dieser Sog des Anfangs, die starken Grundfarben Rot und Blau, und die ständige, ruhelose Bewegung der Kamera hören gar nicht mehr auf. André Téchiné, der mit seinen gleichzeitig analytischen wie leidenschaftlichen, immer ein wenig konstruierten Filmen eine Art Nachzügler der Nouvelle Vague ist, erzählt in LES TEMOINS ("Die Zeugen") davon, wie Aids nicht etwa den Sex, sondern die Liebe und überhaupt die Gefühle verändert. Über den Wechsel der Jahreszeiten hinweg erzählt der Film von Freundschaft und vom Sterben. Während letzteres bitter und realistisch gezeigt wird, begeistert Téchiné einmal mehr durch den Mut zur Utopie, die er – wie in WILDE HERZEN, oder LOIN - in der Freundschaft findet. Die ist bei ihm auch in der Epoche der Seuche ganz romantische Geselligkeit - ein egalitäres Verhältnis, dass alle Grenzen der Kultur, Klasse, sexueller Orientierung sprengt.

Nach den Historienfilmen setzen sich im Wettbewerb bei der Berlinale nun die vermeintlich privateren Stoffe durch. Filme die einzelne Menschen ins Zentrum rücken und an ihnen universelle Themen durchexerzieren. Bis zum Sonntag standen zuvor, nicht nur bei Clint Eastwood die historischen Stoffe im Vordergrund: DAS JAHR ALS MEINE ELTERN IN URLAUB WAREN vom Brasilianer Cao Hamburger erzählte von der brasilianischen Diktatur aus einer Kinderperspektive - ein eindringliches Drama.

Noch einmal aus dem Zentrum der Politik, noch einmal mit Lust am Entfalten von Verschwörungstheorien und an Film-Noir-Anspielungen erzählt Paul Schraders neuer Film THE WALKER. Hauptfigur ist Carter Page, Politikersohn und ein AMERICAN GIGOLO (Schrader ist in beiden Filmen auch der Drehbuchautor), gespielt von Woody Harrelson, der in Amerikas Machtzentrum Washington arbeitet, und zahlreiche Politikerinnen und -gattinnen zu seinen Kunden zählt. Seine beste Freundin, die Gattin eines liberalen Abgeordneten (Kristin Scott Thomas), kommt in Schwierigkeiten, als ihr Liebhaber ermordet wird. Auch Carter wird zur Zielscheibe einer Hexenjagd der politischen Rechten. Schraders Film, in dem unter anderem Lauren Bacall in einer größeren Nebenrolle und Moritz Bleibtreu als schwuler arabischer FreundCarters zu sehen ist, ist glänzend, in jeder Hinsicht unterhaltsam und klug. Eine bitterböse Satire aus dem Herz des Bush-Amerika, gewürzt mit unglaublichem Wortwitz, ein hintersinniges, gut beobachtetes Portrait der US-amerikanischen Oberklasse. Wäre Schrader nicht Jury-Präsident und sein Film ergo außer Konkurrenz, wäre THE WALKER ein sicherer Preiskandidat

Rüdiger Suchsland

 

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