Vom Bauen der Zukunft – 100 Jahre Bauhaus

Deutschland 2018 · 95 min. · FSK: ab 0
Regie: Niels Bolbrinker, Thomas Tielsch
Drehbuch: ,
Kamera: Niels Bolbrinker
Schnitt: Niels Bolbrinker, Thomas Tielsch
Bauhaus als Pappmaché

Filmische Mogelpackung

»Utopische« Musik, eine betuliche Stimme, wer Visionen will, braucht Visionäre – das klingt aber gar nicht visionär bei einem derart stink­lang­wei­ligen Kommentar.

Wer den Titel liest, denkt, jetzt gebe es einen Film über das Bauhaus zu sehen – und wäre es nicht schön, bereits vor dem 100-jährigen Grün­dungs­ju­biläum im Jahr 2019 etwas zu hören und vor allem zu sehen über die Geschichte jener einma­ligen visi­onären Kunst­aus­bil­dungs­stätte in Weimar und Dessau, wo in den zwanziger Jahren die Welt und der Mensch neu erfunden wurden, zu erfahren, wie dort Utopie und Praxis, der Geist der Moderne und der Repu­bli­ka­nismus der neuen Weimarer Republik zusam­men­kamen, wie sich dort liberaler Sozia­lismus und Welt­bür­gertum begeg­neten?

Das von Walter Gropius 1919 gegrün­dete Bauhaus war weit mehr als bloße Schule für neue Archi­tektur und Design; hier versuchte man einen grund­le­genden Neuanfang. Das Bauhaus ist der wohl bedeu­tendste Beitrag der Deutschen zur Kultur der Moderne des 20. Jahr­hun­dert – und während heute im Ausland nur Experten wissen, was Expres­sio­nismus war, wirkte das Bauhaus, wo in zwölf Jahren junge Menschen aus über 100 Ländern studierten und lehrten, in die ganze Welt hinein: Nach Israel, Istanbul, Argen­ti­nien und China.

Und die wich­tigsten Bauhaus-Vertreter, Künstler wie Gropius, Kandinsky, Mies van der Rohe, Oskar Schlemmer, Marcel Breuer, Paul Klee und viele mehr prägten die moderne Kunst bis an die Schwelle zum 21. Jahr­hun­dert. Wenig bis nichts davon erfährt man in diesem Film, insofern ist der Titel eine Mogel­pa­ckung.

Immerhin durften die Regis­seure Niels Bolbrinker und Thomas Tielsch einen Doku­men­tar­film über Archi­tektur und Stadt­pla­nung machen – das ist aber leider das einzig Positive, was man über diesen Film sagen kann. Denn offen­sicht­lich durften die Regis­seure zwar »Bauhaus« in den Titel schreiben, dann aber keinen richtigen Film über das Bauhaus machen – wahr­schein­lich hatte der produ­zie­rende Kultur­sender »arte« Angst vor zuviel Kultur und Theorie – also peppte man das Ganze lieber mit touris­ti­schen Bildern auf. Statt dem Einma­ligen das Beliebige, statt Bauhaus unser Haus.

Und schlimmer noch: Grobe Irre­füh­rung. Le Corbusier, der nie am Bauhaus wirkte, mit ihm allen­falls die Vorliebe für klare Farben und weiße Wände und dessen Ideen zur in Abschnitte geschich­teten verkehrs­ge­rechten »Radi­al­stadt«, die Bauhaus-Vorstel­lung einer »menschen­ge­rechten« Stadt, teilte, was auch der Film nicht ganz verschweigen kann, dieser Le Corbusier wird in diesem Film zur zentralen Figur – warum? Weil er von »arte« beauf­tragt wurde und da muss dann ein Halb-Franzose und ein Dreh in Marseille dabei sein, auch wenn das mit dem Thema nur schat­ten­haft zu tun hat.

Die dänische Desi­gnerin einer Schule, aus der Kinder nicht mehr hinaus wollen, ist immerhin inter­es­sant und im Geist vermut­lich dem Bauhaus verbunden. Aber auch sie kann nicht erklären, was ihre Schule wirklich damit verbindet, über Klötz­chen­ele­mente hinaus, und der Film schafft das auch nicht.
So wird der Zuschauer immer wieder allein gelassen, muss sich irgend­etwas dazu denken oder auch etwas ganz anderes. Wo es dann doch mal kurz histo­risch wird, gehen die Fakten wild durch­ein­ander: 1930 kamen die Nazis in die thürin­gi­sche Landes­re­gie­rung, drei Sätze später zieht das Bauhaus 1925 aus Weimar weg.
Wer sind denn Kandinsky, Klee, Itten, Schlemmer, deren Namen hier mal kurz in die Runde geworfen werden?
Wer hat das Bauhaus denn wann wie und warum gegründet?

Antwort: Es war im Jahr 1919 Walter Gropius, der nach dem Ersten Weltkrieg die Lebens­ver­hält­nisse gerade der armen Unter­schichten grund­le­gend ändern wollte. Der Film zeigt eine alte Dame, die bereits als Kind in einem dieser revo­lu­ti­onären Häuser aufwuchs. Die Idee danach zu fragen, was aus den Bauhaus-Prin­zi­pien wurde, oder was die Bauhäusler wohl heute bauen würden, ist an sich gut. Die faszi­nie­rend prag­ma­ti­sche 100-Euro-Wohnung passt dazu und ist eine attrak­tive Aktua­li­sie­rung.

Aber das hätte man dann vertiefen müssen, erklären, eben richtig ernst nehmen, nicht nur streifen und abhaken. Doch Macher und verant­wort­liche Redaktion haben offenbar Angst vor allem, was nach Didaktik riecht. So kann man das nicht machen, richtig ärgerlich ist dann zum Beispiel diese groteske, veral­bernde Vertonung eines Bauhaus-Lehrfilms mit Musik aus dem ZDF-Nost­al­gie­renner »Väter der Klamotte«.

Dafür sind kaum histo­ri­sche Bilder zu sehen. Völlig unent­schieden soll dies mal ein Film übers Bauhaus sein, dann wieder über dessen Folgen. So ist dieser Doku­men­tar­film ein schlechter, öder, lang­wei­liger Film geworden, der nichts vermit­telt. Aus einem Wikipedia-Eintrag erfährt man mehr. Da hilft auch der Kolum­bianer-Rap nichts, der den Besuch bei einem Stadt­planer garniert. Ein Offen­ba­rungseid vor allem für das betei­ligte Fernsehen, dessen Versagen an diesem Beispiel für jeden offen­sicht­lich wird, und das mit deutschen Produ­zenten offenbar dermaßen schlecht ausstattet ist, dass sie sich noch nicht mal elementar notwen­dige Bilder leisten können.

Dieser Film lässt Schlimmes befürchten für das Bauhaus-Jubiläum in einem Jahr, wenn uns auch noch fiktio­nale Bauhaus-Filme aus der Süßstoff-Werkstatt bevor­stehen.