Die stille Revolution

Deutschland 2017 · 97 min. · FSK: ab 0
Regie: Kristian Gründling
Drehbuch:
Kamera: Christof Oefelein
Schnitt: Florian Achleitner
In sich gehen im Watt

Eitle Weltverbesserer

Längst ist nicht nur im Staate Dänemark etwas faul, sondern auf der ganzen Welt. Im Zuge des allge­gen­wär­tigen Strebens nach Gewinn­ma­xi­mie­rung gehören psychi­sche Erkran­kungen schon lange zu den häufigsten Gründen für Fehl­zeiten bei der Arbeit, und selbst das Klima gerät auf unserer von Ausbeu­tung geplagten Erde immer stärker außer Rand und Band. Zugleich signa­li­sieren die zuneh­mende Poli­tik­ver­dros­sen­heit und die wachsende Radi­ka­li­sie­rung immer größerer Teile der einstigen gesell­schaft­li­chen Mitte, dass immer weniger Menschen darauf vertrauen, dass sich mit Konzepten aus dem 19. Jahr­hun­dert die Probleme des 21. lösen lassen werden.

Immer lauter wird der Ruf nach einem tief­grei­fenden Bewusst­seins­wandel. Dies zeigt sich para­do­xer­weise auch daran, dass die »stillen Revo­lu­ti­onäre« auf dem Vormarsch sind. Ihnen allen ist gemein, dass sie die Notwen­dig­keit eines inneren Wandels sehen, um die äußeren Verhält­nisse nach­haltig zum Positiven hin zu verändern. Zu diesen zählt Bodo Janssen, seines Zeichens Leiter der nord­deut­schen Hotel­kette Upstals­boom. Dem frie­si­schen Unter­nehmer kam nach dem für ihn vernich­tenden Ergebnis einer im Jahr 2010 durch­ge­führten Mitar­bei­ter­be­fra­gung die Erkenntnis, dass der »Fisch am Kopf (also bei mir) anfing zu stinken«. Um der Welt zu zeigen, was sich seither bei Upstals­boom getan hat, hat Janssen jetzt Kristian Gründling mit dem 90 minütigen Hoch­glanz­film Die stille Revo­lu­tion beauf­tragt.

Gründling, das muss man dazusagen, betreibt die Firma Grünfilm, die im Dienste von Unter­nehmen Filme macht. Die Refe­renzen werden auf der Website geführt sowie das Motto der Firma: »Jedes Unter­nehmen hütet einen Schatz und wir bringen ihn durch unsere Film­pro­jekte ans Licht. Wir unter­s­tützen Orga­ni­sa­tionen dabei, dieses Potenzial zu entfalten und dadurch echt und besonders wertvoll zu werden.« Die stille Revo­lu­tion ist dementspre­chend ein Imagefilm, der die Idee des Unter­neh­mens befördert.

Ansich aber ist das Thema inter­es­sant. Dass sich die stillen Revo­lu­ti­onäre mitt­ler­weile auch im Kino so wohl fühlen wie Fische im Wasser, zeigte zuletzt Kevin Roche – Der stille Architekt. In der Doku­men­ta­tion legte der irisch-ameri­ka­ni­sche Baumeister mit äußerst sympa­thi­scher Beschei­den­heit dar, weshalb bei seiner Archi­tektur nicht der Wille zur großen gestal­te­ri­schen Geste, sondern die Menschen im Mittel­punkt stehen. Roche meint zudem, dass er dieses Ziel selbst dann erreiche, wenn seine Auftrag­geber mit derar­tigen Werten selbst nichts am Hut haben. Dass zu einem derar­tigen Vorgehen die Kraft von innen her geschöpft werden muss, war in der Doku Hannah – Ein buddhis­ti­scher Weg zur Freiheit zu sehen. Aller­dings balan­cierte die filmische Umsetzung bereits gefähr­lich vor den zwei­fel­haften Werbe-Abgründen, die eine allzu geschönte Darstel­lung des Diamantweg-Buddhismus mit sich bringt.

In Die stille Revo­lu­tion ist diese gerade-noch-Balance verloren. Hier scheitert die Vermitt­lung des Anliegens an dem glatten Fokus auf das Unter­nehmen. Mit dieser als Doku­men­ta­tion getarnten PR-Maßnahme gelingt Gründling das zwei­fel­hafte Kunst­stück, einen einein­halb­stün­digen Werbefilm für Upstals­boom ins Kino zu drücken, bei dem der Zuschauer am Ende nach wie vor nicht wirklich weiß, was genau bei diesem Fischkopf eigent­lich gestunken hat. So vergeht die gesamte erste halbe Stunde damit, diesen zentralen wunden Punkt auf möglichst elegante Art zu umschiffen.

Bodo Janssen erzählt von besagter Mitar­bei­ter­be­fra­gung. Was deren exakte Kritik­punkte waren, erfahren wir jedoch nicht. Statt­dessen berichtet Janssen davon, dass er bis dahin nur so führen konnte, wie er es in seinem Studium gelernt habe. Doch auch dazu, was dort eigent­lich gelehrt wurde, schweigt sich der im stille Revo­lu­ti­onär weitest­ge­hend aus. Dies erschließt sich lediglich nach und nach indirekt über die Kommen­tare zahl­rei­cher Experten, wie dem Neuro­wis­sen­schaftler Prof. Dr. Gerald Hüther. Sie erzählen von der Herkunft des Begriffs »Manager« vom Dompteur im Zirkus und von dem fort­wir­kenden schweren Erbe aus der Anfangs­zeit der indus­tri­ellen Revo­lu­tion und des Preußen­tums.

Dazwi­schen sieht man immer wieder Bodo Janssen. Mal sitzt der Unter­nehmer lässig im Büro, mal fummelt er bedeu­tungs­schwanger am Barometer seiner Segel­jacht herum und ganz oft schaut er tief­sinnig grübelnd über die Weiten des frie­si­schen Watts oder über leere Fabrik­hallen. Janssen ist durchaus sehr fotogen. Mit seinem gepflegten Drei­ta­ge­bart und – selbst barfuß im Watt – stets makellos gekleidet, würden sich viele Einstel­lungen mit ihm in Die stille Revo­lu­tion perfekt für eine Werbe­an­zeige für Herren­mode eigenen.

Was bei Upstals­boom eigent­lich konkret los war, erfahren wir erst ab dem Zeitpunkt, an dem bei Janssen nach einem längeren Klos­ter­auf­ent­halt ein Bewusst­seins­wandel einge­setzt hat. Plötzlich sehen wir echte Mitar­beiter in Aktion. Aller­dings nicht bei der Arbeit, sondern bei hier­ar­chie­freien Krea­tiv­mee­tings oder bei der Einwei­hung neuer, von Upstals­boom finan­zierter Schulen in Ruanda und bei dem Aufstieg auf den Kili­man­dscharo. Das ist poten­ziell durchaus inter­es­sant. Aber da sehr unklar bleibt, wie es davor bei Upstals­boom aussah, bleibt der mit zahl­rei­chen fröh­li­chen und vor Freude weinenden Azubis und Ange­stellten bebil­derte Wandel abstrakt.

Erschwe­rend kommt hinzu, dass ab dem Zeitpunkt, an dem Janssen endlich konkreter wird, die anderen Experten nichts Substan­zi­elles mehr beizu­tragen haben. Statt­dessen ergehen sie sich im Herum­schmeißen mit leeren Wort­hülsen, wie der Fest­stel­lung, dass wir mehr »Know-why« statt Know-how benötigen würden. Selbst der dm-Chef Götz Werner, der mit Büchern, wie »Einkommen für alle« bewiesen hat, dass er durchaus sehr inter­es­sante Vorschläge zur Verbes­se­rung unserer Arbeits­welt zu machen hat, gibt hier nur selbst­ver­liebtes pseu­do­phi­lo­so­phi­sches Geschwafel von sich. So bleibt am Ende die Erkenntnis, dass ein innerer Wandel auch nicht vor der Eitelkeit der einen solchen propa­gie­renden Akteure halt­ma­chen sollte.