19.03.2015

»Das ist schwierig, gefähr­lich und sehr inter­es­sant.«

Szenenbild EMMAS GLÜCK
„Wüste Film“-Produktion Emmas Glück

Der »in Aussicht genommene« neue DFFB-Direktor Ralph Schwingel über die Kritik am Verfahren und Herausforderungen der traditionsreichsten deutschen Filmhochschule

Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.

Ralph Schwingel, geboren 1955 in Neun­kir­chen, ist einer der erfolg­reichsten deutschen Film­pro­du­zenten im Inde­pen­dent-Bereich. Zunächst ausge­bil­deter Psycho­loge, begann in den 80er Jahren als Filme­ma­cher und gründete 1989 die Hamburger „Wüste Film“, deren Mitin­haber er bis heute ist. 2012 zog er sich aus dem opera­tiven Geschäft zurück und arbeitete als Psycho­the­ra­peut. Vergan­gene Woche wurde gemeldet, dass Schwin­gels Berufung zum neuen Direktor der DFFB „in Aussicht genommen“ würde. Nicht Schwin­gels Person, sehr wohl aber das Verfahren seiner Ernennung ist umstritten und wird von vielen Seiten kriti­siert.
Am vergan­genen Montag stellte sich Schwingel im Rahmen einer Voll­ver­samm­lung den Dozenten und Studenten der DFFB zum Gespräch. Im Vorfeld dazu entstand dieses Interview – über die neueren Entwick­lungen konnte dort noch nicht gespro­chen werden.

artechock: Vergan­gene Woche wurde bekannt, dass, wie es etwas gewunden heißt, „in Aussicht genommen wird“, Sie zum neuen DFFB-Direktor zu berufen. Wie kam es überhaupt dazu?

Ralph Schwingel: Ausgangs­punkt war, dass man mich Anfang Januar angerufen hat, und erkundigt, ob ich Interesse hätte, mich zu bemühen, Direktor an der DFFB zu werden. Das war von meiner Seite unvor­be­reitet. Die DFFB und ihre Geschichte kannte ich natürlich, aber ich habe mich dann zunächst mal bei Freunden, Bekannten und über öffent­lich zugäng­liche Quellen über die aktuelle Situation an der DFFB, auch über den Streit um die Berufung infor­miert, um zu verstehen, wie es überhaupt dazu kommt, dass man mich fragt. Mein Eindruck war: Das ist schwierig, gefähr­lich und sehr inter­es­sant.

artechock: Haben Sie seitdem Vorge­spräche geführt?

Schwingel: Es hat eine kurze Begegnung mit den geschäfts­füh­renden Direk­toren gegeben.

artechock: Wer genau hatte Sie gefragt?

Schwingel: Ich würde das ungern sagen und möchte mich da lieber zurück­halten. Das kam aus dem erwei­terten Kreis des Kura­to­riums

artechock: Sie kennen als Filme­ma­cher und Dozent in Potsdam natürlich die DFFB und viele ihrer Absol­venten der vergan­genen Jahr­zehnte. Was braucht eine Film­hoch­schule in unserer jetzigen Film- und Medi­en­land­schaft?

Schwingel: Die Freiheit des Gedankens. Die gehört zur DNA der DFFB. Das sollte auch vonein­ander immer verlangt werden können. An Hoch­schulen sind Jahrgänge oft wichtig, die sich unter­ein­ander ansta­cheln.

Wenn man von einem DFFB-Stil sprechen kann, ist mir schon etwas aufge­fallen: Etwas Strenges. Eine Grund­ent­schei­dung, sich dem Zuschauer auf gar keine Weise irgendwie anzu­bieten. Das kann eine vehemente Stärke sein. Es ist auch eine Stärke dieser Schule, das zu dürfen. Wenn man sich von Grund auf und für jeden erzäh­le­ri­schen Zweck darauf vers­tän­digt, das nur auf diese Weise zu tun, dann kann das nach hinten losgehen. Solche Filme meine ich, öfter gesehen zu haben.

In Deutsch­land könnten wir mehr Offenheit für Genre­filme und Humor gebrau­chen. Humor ist eine so große Ressource. Es ist tatsäch­lich so, dass wir auf die neue deutsche Humor­schule bisher noch warten. Aber das kann dennoch nicht die erste Selbst­auf­for­de­rung der DFFB sein, eine neue deutsche Humor­schule zu begründen?

artechock: Sie sind jetzt zitiert worden, Sie benei­deten Til Schweiger. Warum eigent­lich? Was ist an Til Schweiger eigent­lich so toll?

Schwingel: Er hat Kontakt zu seinem Publikum, muss sich nicht verstellen. Er trifft den Ton. Wer von uns hätte sich denn trauen können, einen Alzheimer-Film zu machen, den Warner raus­bringt und viele Leute kommen wie ich höre, berührt und glücklich raus. Außerdem: Wer hätte nicht gern mal 6 Millionen Zuschauer?

artechock: Wer soll mehr Freiheit haben, der Regisseur oder Produzent?

Schwingel: Meine Regis­seure haben am Set Freiheit der Entschei­dung. Aber am Wochen­ende reden wir dar über, ob das wirklich alles gut ist.

artechock: Haben Sie Zusagen zur nicht völlig gesi­cherten Zukunft der DFFB bekommen? Zur finan­zi­ellen Ausstat­tung?

Schwingel: Es gibt die klare Vers­tän­di­gung: Eine Abwick­lung der DFFB steht nicht im Raum. Ich habe Herrn Böhning danach gefragt, und sehr glaubhaft die Antwort bekommen, dass das nicht geplant ist. Darauf verlasse ich mich. Etwas Anderes wäre mit mir nicht zu machen, da kann ich sehr hart­nä­ckig werden. Ich habe aber keinen Anlass, das zu befürchten: Wenn man überlegt, wie wenig die DFFB das Land Berlin kostet, und was sie Berlin bringt, wäre es ja auch dumm, sich anders zu entscheiden.
Was das Gesamt­budget angeht, hätte ich mir ein bisschen mehr vorge­stellt. Es soll nicht wie eine Anbie­de­rung klingen: Aber die Dozenten sind viel zu schlecht bezahlt. Teilweise ist es eine Zumutung.

artechock: Sie sind in einer Hinsicht in einer unglück­li­chen Lage: Die Ernennung Ihrer Person ist mit großen öffent­li­chem Ärger um das Verfahren verbunden. Man beklagt die völlig fehlende Trans­pa­renz. Und es ist ein zumindest auffäl­liger Vorgang, dass die Staats­kanzlei das selbst­ge­ge­bene Verfahren plötzlich ignoriert und Sie quasi per ordre de mufti ernannt werden. Dem m üssen auch Sie sich stellen....

Schwingel: Das Verfahren ist nicht meine Baustelle. Dafür bin ich nicht verant­wort­lich. Die einzige Frage, die ich mir doch stellen muss, ist die: Bin ich in der Lage, ein Verfahren, das womöglich subop­timal gewesen ist, durch meinen Rückzug zu heilen? Kann ich das, und soll ich das? Das ist eine schwie­rige Frage – es ist nicht so, dass ich alles unver­s­tänd­lich finde, was da kommt, aber so einfach ist die Sache nicht.
Ich habe mich mit meinen Gedanken zur Zukunft der DFFB beworben. Da waren die anderen Kandi­daten noch gar nicht raus, aber es gab offenbar das Bedürfnis noch jemanden dazu­zu­bitten, der für beide Seiten akzep­tabel sein könnte.

artechock: Haben Sie nicht Angst, dass der Anfang zur Belastung wird?

Schwingel: Natürlich. Aber ich hoffe, dass das ein bisschen wird, wie bei diesen Filmen, die in der Vorbe­rei­tung extrem kompli­ziert sind und dann super werden. Natürlich ist es ein wahn­sin­niges Handicap für den Versuch, hier vertrau­ens­voll zu arbeiten. Meine Devise heißt: Diskurs, Diskurs. Wir müssen mitein­ander reden. Ich gehe an so einer Unsi­cher­heit aber auch nicht zugrunde und höre mir zur Not auch noch vier Jahre an, welche Fehler das Verfahren hatte. Aber wir sollten trotzdem in die Zukunft schauen. Und uns wie Menschen begegnen.

artechock: 2012 haben Sie sich aus dem opera­tiven Geschäft zurück­ge­zogen. Was haben Sie seitdem gemacht?

Schwingel: Ich bin ja Diplom-Psycho­loge und habe mich fort­ge­bildet; seit Mitte 2013 arbeite ich fest als klini­scher Psycho­loge. Ende 2014 hatte ich mich entschlossen, den im Sommer auslau­fenden Vertrag nicht zu verlän­gern, und bereits wieder ein bisschen Film zu tun, die Auszeit war also erodiert.
Ich gehe jetzt nicht als Therapeut an die DFFB – das wäre richtig verkehrt. Als Therapeut darf man auch kein Betei­ligter sein.

artechock: Wie geht es jetzt weiter?

Schwingel: Heute nehme ich die Gele­gen­heit wahr, mich allen an der DFFB vorzu­stellen, damit man sich kennen­lernt. Ich biete ein Gespräch an mit dem Ziel, dass alles auf den Tisch zu bringen, was bisher ungehört geblieben ist.