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03.12.1998
 
 
   
 

"Das Radikale von Hölderlin berührt mich sehr"
Ein Interview mit Nina Grosse, Regisseurin von "Feuerreiter"

 
     
 
 
 
 

Die Regisseurin Nina Grosse (geb.1958) wuchs in München, Genf und Paris auf. In München studierte sie auch an der Filmhochschule. Mit ihrem Abschlußfilm "Der gläserne Himmel" gewann sie 1987 den bayrischen Filmpreis. Neben mehreren TV-Filmen, unter anderem für "Tatort", ist FEUERREITER über den Dichter Friedrich Hölderlin ihr vierter Spielfilm. Mit ihr sprach Rüdiger Suchsland.

Artechock: FEUERREITER schildert einerseits ein historisches Ereignis, andererseits ist es ein durchaus moderner Liebesfilm. Welcher Aspekt überwiegt denn für Sie?

Grosse: Der aktuelle. Es sind sogar zwei Liebesgeschichten. Die zu Susette Gontard und die zu Isaac von Sinclair. Beide stehen für zwei Komponenten, die uns die Figur Hölderlin wichtig machen. Einerseits Sinclair, der Hölderlin immer wieder auffordert, herauszugehen in die Gesellschaft, Erfolg und Ruhm zu ernten. Und auf der anderen Seite Susette. Sie konfrontiert Hölderlin mit der Frage, ob ein Künstler überhaupt glücklich in einer Familie leben kann. Das ist ja eine alte Frage. Beides haben wir herausgearbeitet, weil sich damit Hölderlins Geschichte sehr aktuell und heutig erzählen läßt.

>>Wenn das so zeitgemäß ist, warum machen Sie dann einen Historienfilm?

Hölderlin ist nach wie vor eine sehr große deutsche Figur. Er geistert immer durch Deutschland. Nicht nur mit seinen schönen Texten, sondern auch mit dem Mythos, der diese Figur umgibt. Und das ist interessanterweise ein Mythos vom Scheitern. Es ist etwas Kühnes, Entschlossenes im ihn, und das berührt uns nach wie vor.

>>Wie sehen Sie Hölderlin?

Das war ein radikaler Künstler. Letztlich hat er seiner Kunst jede menschliche Beziehung untergeordnet, bis in den Wahnsinn hinein. Er hat die Einsamkeit, den Schmerz und die Nacht gebraucht. Dieses Radikale von dem Mann berührt mich sehr, weil wir so radikal nicht mehr sind.

>>Sind Sie selber denn so radikal? Wie ähnlich sind wir Heutigen noch diesen 200 Jahre alten Menschen?

Liebesgeschichten sind zeitlos, auch welche, die tragisch enden. Was sich vielleicht geändert hat, ist die Wucht und Intensität, mit der die Menschen das damals gelebt haben. Ich denke schon, daß wir da flüchtiger geworden sind. Heute stirbt keine Frau mehr am gebrochenen Herzen. Ich selbst bin da auch ein Kind meiner Zeit. Wir haben ja sehr gelernt, vernünftig zu sein. Aber diese Anarchie des Gefühls.

>>Ist Ihnen Hölderlin auch irgendwann unsympathisch geworden?

Oh ja! Zum Beispiel, als er in frühen Jahren und glaublich ehrgeizig hinter Schiller hergewieselt ist, bis zur Selbstaufgabe gewinselt und gejammert hat. Das war mir fremd, das mochte ich nicht. Vor allem wenn man weiß, wie radikal er dem allen später abgesagt hat. Was ich auch nicht mag ist das Humorlose, das diese Figur umgibt. So etwas gnadenlos Deutsches.

>>Wo sehen Sie sich in der deutschen Kinolandschaft. Ihr Film ist ein Bekenntnis zum -durchaus epischen- Erzählkino im Stil der 60er, 70er Jahre. Zugleich gehören Sie genau zu der Generation, die jetzt gerne sketchhafte Komödien dreht. FEUERREITER ist eine Abgrenzung dazu.

Ja schon, obwohl ich mich auch gar nicht von irgendwem abgrenzen will. Aber die Figur Hölderlin hat auch einen bestimmten Stil diktiert, einen Atem verlangt. Es hat keinen Sinn, Hölderlin nicht episch erzählen zu wollen. Wir mußten trotzdem auf vieles verzichten. Ich hätte mir gewünscht, daß er noch etwas länger geworden wäre, aber die typischen Zwänge ließen das nicht zu. Ich selbst mag epische Filme sehr gern. Kino muß auch eine Zeitreise sein. Solche Filme wirken ganz anders nach. Allerdings gibt es auch im Genre der schnellen, comicartigen Filme Sachen, die ich sehr mag, LOLA RENNT zum Beispiel. Nur verlangt Hölderlin eben ein anderes Tempo.

>>Woran arbeiten Sie jetzt? Wieder an einem historischen Stoff?

Nein, um Gottes willen, keine Historie mehr. Wenn man solange an so etwas arbeitet, dann schreit alles nach der Moderne. Zunächst mache ich wieder mal einen Tatort für den Südwestfunk. Und dann mache ich wieder etwas fürs Kino: Ein heutiges, jetziges Road-Movie über eine kleine junge Göre, die in die Welt aufbricht. Also eine dieser flapsigen kleinen Komödien.

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