21.01.2016

Nur unsterb­lich – David Bowie als Filmwesen

David Bowie in Just a Gigolo
Unter anderem in Just a Gigolo

Von Felicitas Hübner

Zu verlieren – zumal in einer Leis­tungs­ge­sell­schaft – ist nie schön. Auch wenn es nur um eine schnöde Wette geht. So geschehen auf dem artechock-Neujahrs­emp­fang am 16. Januar 2016. David Bowie, der Musiker, der Künstler, das Gesamt­kunst­werk, war seit sechs Tagen tot. Man gedachte seiner, auch in den artechock-Kata­komben. Wie nicht anders zu erwarten, ging es dann um seine Film­kar­riere. Wir mutmaßten, wieviel Einträge er in der imdb, der Internet Movie Database, haben könnte. Herr Haber­lander hatte recht. Ich nicht. Die verlorene Flasche Wein wurde jedoch spontan in einen Text über David Bowie im Filmwesen umge­wan­delt …

… und ich sehe David Bowie in einer Badewanne liegen, im Bade­zimmer neben ihm steht Curd Jürgens im Smoking und reicht dem Frisch­ge­wa­schenen ein Handtuch. David Bowie spielt einen Eintänzer, einen Gigolo, einen Callboy. Im selben Film spielt Maria Schell Bowies „Muutti“. Es wird Marlene Dietrichs letzter Film sein. Günther Fischer, der viele Jahre später als IM (Inof­fi­zi­eller Mitar­beiter der Staats­si­cher­heit) geoutet werden wird, hatte die Filmmusik geschrieben. Auf einem Friedhof geben sich die Linken und die Rechten dem bewaff­neten Klas­sen­kampf hin, in der dazu­gehö­rigen Fried­hofs­ka­pelle gibt sich eine liebes­be­dürf­tige Offi­zier­s­witwe David Bowie hin. Die von Kim Nowak Gespielte feuert ihren Lover mit militä­ri­schem Vokabular beim Sex an. Der Film heißt Schöner Gigolo, armer Gigolo. David Hemmings schuf ihn im Jahr 1978. Und David Bowie ist so schön und so traurig.

… ich sehe David Bowie in Twin Peaks – Der Film (OT: „Twin Peaks: Fire Walk with Me“) und ich sehe ihn nicht. Das ist von Regisseur David Lynch so gewollt. Der Monitor einer Über­wa­chungs­ka­mera zeigt Bowie, wie er durch die Gänge läuft, in der filmi­schen Wirk­lich­keit ist er nicht zu sehen. Und umgekehrt. Der als einzige Traum­se­quenz insze­nierte Film greift in dieser Szene das mediale Bild des David Bowie zwischen kosmi­scher Gestalt, andro­gynem Glamourboy und über­ir­di­schem Astral­wesen auf.

… ich sehe David Bowie aus allen Wolken fallen. Im Film Der Mann, der vom Himmel fiel aus dem Jahr 1976 spielt David Bowie schon wieder ein Wesen aus einer anderen Welt, das sich unnötig geheim­nis­voll verhält. Die Vermark­tungs­ma­schi­nerie seines Images für die Öffent­lich­keit schnurrt, Bowie ist in allen Dimen­sionen unterwegs.

… kurz zu sehen ist David Bowie in Chris­tiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (1981). Mit diesem Cameo-Auftritt rettet er den Film und die Karriere von Produzent Bernd Eichinger. Der Sound­track besteht ausschließ­lich aus der Musik von Bowie, darunter „Heroes“.

… gut zu sehen war Bowie in Basquiat von 1996. In dem Film geht es um den jungen Maler Jean-Michel Basquiat. Er war der erste afro­ame­ri­ka­ni­sche Künstler, der den Durch­bruch in der haupt­säch­lich weißen Kunstwelt schaffte. David Bowie spielt einen exal­tierten Andy Warhol mit Strub­bel­perücke.

Es lag außerhalb meines Vorstel­lungs­wil­lens, dass ein Mensch wie David Bowie (69) eines Tages gehen muss. So einer konnte doch nur unsterb­lich sein! Bei ihm, dem Ewig­schönen, dem Dorian Gray, dem fast Unmensch­li­chen, dem Arti­fi­zi­ellen, fehlte mir die Phantasie, dass so einer überhaupt auf die Toilette hätte gehen müssen, dass er der Schwer­kraft und den Vorgängen des Stoff­wech­sels unter­liegen müsste. Bei dem kurz vor Bowie gestor­benen Motörheader Lemmy Kilmister (70) war das ganz anders. Der zählte sogar die von ihm aufge­suchten Prosti­tu­ierten zu den Frauen, mit denen er „geschlafen“ hatte.
Als dann am 14. Januar 2016 auch noch Alan Rickman (69) an Krebs starb, twitterte das weltweite Netz „Fick dich, Krebs!“ Möge es nützen.