16.06.2011

Kopf und Macher des Aufbruchs

Buster Keaton - The Cameraman
Hinterlässt einen Schrank voller unrealisierter Projekte:
Peter Schamoni

Kunst ist nicht nur Unterhaltung: Der Filmemacher Peter Schamoni ist tot

Von Rüdiger Suchsland

Das Geheimnis der Krea­ti­vität war viel­leicht das Sujet, das das Werk von Peter Schamoni am ehesten zusam­men­hielt. Das gilt nicht nur für die Künst­ler­por­traits in der späteren Arbeits­phase des Film-Regis­seurs, es gilt schon für seine Anfangs­zeit. Es war das München der 60er Jahre, mit dem Schamonis Name verbunden bleiben wird: Jene »Weltstadt mit Herz« in der Schwabing einmal mehr für Lebens­lust stand, und deren heitere Libe­ra­lität in die Olym­pi­schen Spiele von 1972 mündete. Aber hier gärte auch die Studen­ten­re­volte, wie sonst nur in Frankfurt und Berlin, hier lebten und arbei­teten Fass­binder, Straub und Kluge, der junge Herzog und der junge Wenders.

Schamoni wurde 1934 als zweitäl­tester Sohn in eine Berliner Künstler- und Intel­lek­tu­el­len­fa­milie hinein­ge­boren – der Vater war Film­wis­sen­schaftler, die Onkel Maler und Theologen, die vier Brüder wurden sämtlich Auto­ren­filmer und Kame­ramänner. In den schönen Memoi­ren­band »Meine Schamonis« hat Schamonis Mutter Maria, eine Cutterin und Dreh­buch­au­torin, das überaus Krea­ti­vität anregende Klima dieses Eltern­hauses und der Kindheit, die nach dem Solda­tentod des Vaters in Westfalen weiter­ging, beschrieben. Peter erscheint schon hier unter den vier Söhnen als der ebenso prag­ma­ti­sche, wie viel­sei­tige Macher neben dem genia­lisch-verspon­nenen Jüngsten Ulrich und den weniger begabten Victor und Thomas. Er ging dann bereits Mitte der 50er zum Studium an die Isar, bekam Schau­spiel­un­ter­richt und Regie­as­sis­tenzen am Theater. 1957 fuhr er nach Moskau und drehte seinen ersten Doku­men­tar­film, Moskau 57 über die Welt­ju­gend­spiele. Und so, mit klugen Provo­ka­tionen, ging es weiter: Bruta­lität in Stein hieß 1959 die Gemein­schafts­ar­beit mit Alexander Kluge – ein Kino­ma­ni­fest für ein neues deutsche Kino. Dem folgte 1962 das Manifest auf Papier: Schamoni gehörte in Ober­hausen 1962 zu den Unter­zeich­nern des Grün­dungs­do­ku­ments des deutschen Film­auf­bruchs, der »Papas Kino« den Kampf ansagte. Sein Spiel­film­debüt Schonzeit für Füchse beglau­bigte dies 1966 praktisch, und holte drei Bundes­film­preise und einen Silbernen Bären der Berlinale für »Beste Regie«. Wie Kluge war Schamoni eher Kopf als Herz des Aufbruchs, zu viel­fältig in seinen Inter­essen, zu neugierig, um dauerhaft nur Regie zu führen, zu nüchtern für Spinnerei und Esoterik, ein bürger­li­cher Vordenker, und wie gesagt: ein Macher.

Mit Zur Sache, Schätz­chen produ­zierte er einen der reprä­sen­ta­tivsten Filme der Revolte von 1968, der ganz im Geist der Zeit Kunst als Massen­un­ter­hal­tung auf die Leinwand brachte und viel Zeitgeist trans­por­tierte. Der Film war zugleich ein frivoles und sehr münch­ne­ri­sches Gegen­s­tück zum ernsten Auto­ren­film­pa­thos – das Geld, das der Film einspielte ermög­lichte ihm die Pflege seiner privaten Vorlieben als »Ein-Mann-Produk­tion« (Schamoni über Schamoni): Über 30 Spiel- und Doku­men­tar­filme entstanden, fast alle gewannen Preise. Später domi­nierten die Künstler-Spiel­filme wie Früh­lings­sin­fonie über Robert Schumann und Grenzen der Zeit über Caspar David Friedrich, sowie Doku­men­ta­tionen über Friedrich Hundert­wasser, Max Ernst, Niki de Saint Phalle und Botero. Auch Wilhelm II., den letzten deutschen Kaiser, galt ihm als eine Art fehl­ge­lei­teter Künstler. Schamoni stellte das Rätsel­hafte, mitunter Bizarre dieses Herr­schers ins Zentrum. Weder Zeit­ana­lyse, noch Biogra­phie im engeren Sinn war Majestät brauchen Sonne, Schamonis vorletzter Film, sondern ein eigen­wil­liger Filmessay, der Wilhelm II. als nervös Getrie­benen und bis zur Lächer­lich­keit Eitlen ebenso zeigt wie als neugie­rigen Moder­nisten. Mit Leich­tig­keit, stel­len­weise Humor und genügend Distanz gelang Schamoni da eines der origi­nellsten Doku­men­ta­ti­ons­pro­jekte des letzten Jahr­zehnts. Alle diese Werke verbindet die Vorliebe für spie­le­ri­schen Surrea­lismus und für den versteckten Ernst dahinter. Ganz in surrea­lis­ti­scher Tradition sind es Collagen, essay­is­ti­sche Montagen. Und im Gespräch berich­tete Schamoni voll gelas­sener Energie von seinem »Schrank voller unrea­li­sierter Projekte, die nicht ins Schema der Förderer und des Fern­se­hens passten.«