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08.03.2007
 
 
     

Hollywoods neue Offenheit

 

  Verstörendes Schattenreich:
PANS LABYRINTH
 
 
 
 
 

Die Chancen der Krise: Der Triumph der Filmkunst beim diesjährigen Oscar

Filmkunst und Kinohandwerk haben über Politik, Moral und Vermarktungstaktik gesiegt, zumindest in den Hauptkategorien - so in etwa ließe sich die Geschichte der diesjährigen Oscars erzählen. Denn der cinematografisch virtuose DEPARTED gewann den wichtigsten Preis, nicht das engagierte, aber vielleicht doch etwas zu gut gemeinte Globalisierungsdrama BABEL; und Martin Scorsese gewann auch, im sechsten Anlauf die ersehnte Regietrophäe - ein hochverdienter, längst fälliger Triumph für den klein gewachsenen, italoamerikanischen Regisseur, einen der ganz Großen des Gegenwartskinos, der schon einige bessere Filme gemacht hat als das Bostoner Gangsterdrama, aber noch nie einen an der Kasse erfolgreicheren.
Es war die internationalste Oscar-Verleihung aller Zeiten: Nicht nur, weil allein schon die drei mexikanischen Regisseure (und Jugendfreunde) Guillermo del Toro (PAN'S LABYRINTH), Alfonso Cuaron (CHILDREN OF MEN) und Alejandro González Iñárritu (BABEL) mit ihren jeweiligen Filmen auf allein 16 Nominierungen kamen, und noch weitere Filme aus China, Spanien und England in wichtigen Kategorien konkurrierten - man übersieht immer, dass der Oscar im Gegensatz zum Beispiel zum Deutschen Filmpreis kein nationaler Preis ist, sondern einer, bei dem jeder Film prämiert werden kann, vorausgesetzt, er hatte im Vorjahr einen US-Kinostart. Sondern weil auch die amerikanischen Beiträge so multikulturell waren, wie noch nie. Zwei schwarze Darsteller gewannen Preise, eine Britin, Iren, Japaner und Polen finden sich unter den Nominierten. In Eastwoods LETTERS FROM IWO JIMA spielen nur Japaner, und reden auch japanisch, BABEL spielt auf drei Kontinenten und in vier Sprachen, BLOOD DIAMOND unter Afrikanern, und auch DEPARTED ist eigentlich das bis in einzelne Einstellungen nachgedrehte Remake eines erfolgreichen Hongkong-Thrillers.

Das buntgemischte, offene und liberale Bild, das Hollywood am Sonntagabend der Welt - eine Milliarde sah an den Bildschirmen zu - präsentierte, korrigiert nicht nur manche, leider vorherrschende einseitige Vorstellung von einem Amerika, das vermeintlich nur aus stiernackigen Middle-Westlern und christlich-fundamentalistischen Bush-Wählern besteht. Es steht auch im selben Moment für die große Stärke und die empfindliche Schwäche Hollywoods: Einerseits ist sein Kino mehr denn je der große Integrationsmotor und Identitätsstifter, das, was weltweit das Bild der USA prägt. Andererseits wird dieses Kino längst nicht mehr nur von Amerikanern dominiert. Hollywood ist ein globaler Ort, der zig Einflüsse verbindet. Und das Erfolgsmodell verändert sich: Die Krise der Blockbuster geht weiter, wie im Vorjahr waren sie nur noch am Rand präsent. Die Oscars dominierte wie 2006 ein Autorenkino, das unterhält, und trotzdem eine klare Handschrift hat. Oft sind die Filme sozial oder politisch engagiert, aber im Zweifel zählt die Kunst. Für diesen Trend steht DEPARTED ebenso wie der mexikanisch-spanische PAN'S LABYRINTH, der überraschend drei Oscars bekam - ein magisch-poetisches Werk, von dem man mit Gewissheit sagen kann, dass es nicht nur zu den bleibenden Werken des Jahres, sondern dieser Dekade gehört.

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In der Kategorie der Auslandsoscars wurde PAN'S LABYRINTH, vor allem für deutsche Beobachter überraschend, von Florian Henkel von Donnersmarcks deutschem Beitrag geschlagen. DAS LEBEN DER ANDEREN gewann eher gegen den Trend, denn dieser Film repräsentiert jene Sorte altbacken-bieder-personalisierendem Politdrama, dem man bei den Oscars seit jeher beste Chancen nachsagt. Wenn man vor der Preisverleihung die Reihe früherer Preisträger sah, in der sich unter anderem Truffaut, Bergman und Fellini finden, tut man dem Preisträger kein Unrecht, wenn man konstatiert, dass DAS LEBEN DER ANDEREN vergleichbares Niveau nicht besitzt. Henkel von Donnersmarck kann das egal sein. Zwei Monate lang tourte er zuletzt durch die USA, sein Erfolg ist ebenso eigener Energie zu verdanken, wie der effektiven Marketingkampagne des mächtigen Sony-Vertriebs. Auch Henkel wird nun von Hollywoods Krise und der neuen Offenheit profitieren und hervorragende Chancen erhalten. Der Mann muss Mainstream machen. Und er wird es. Schon auf der Filmhochschule verkündete er einst dieses Ziel: Mainstreamfilme, und das in Hollywood. Dort ist er nun. Jetzt kann nur noch er selbst sich im Weg stehen.

Rüdiger Suchsland

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