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30.11.2000
 
 
   
 

Kleiner Film - Große Kunst ?

 
     
 
 
 
 

Vor etwa zehn Jahren hat Francis Ford Coppola davon geträumt, dass es in der Zukunft für jedermann möglich sei, einen Film zu drehen und dass neue Techniken aus dem aufwendigem Vorgang der Filmproduktion ein kinderleichtes Vorhaben machen würden. Wenn dieser Zustand erreicht sei, prognostizierte Coppola weiter, dann würde uns aus der großen Schar der Mini-Regisseure sicher auch ein neuer, filmischer Mozart erwachsen.

Coppolas Vision von der Befreiung der Bilder ist heute mit Hilfe von Video- und Digitalkameras praktisch erreicht. Es bleibt die Frage, ob auch der versprochene Film-Mozart schon in Sicht ist, wobei vorab festzustellen ist, dass Coppolas Tochter Sofia mit ihrem (keineswegs einfach und billig produzierten) Debüt THE VIRGIN SUICIDES diese Rolle sicher nicht übernimmt.

Bringen uns dagegen etwa die Filme aus der Dogma-Reihe oder BLAIR WITCH oder Doris Dörries ERLEUCHTUNG GARANTIERT oder jetzt BAISE-MOI endlich die Freiheit und den Kreativitätsschub, um die neuen Wunderkinder, die bisher an der Filmindustrie gescheitert sind, zu entdecken ? Zweifel sind angebracht, denn jeder der genannten Filme wurde aus einem ganz speziellen Grund so einfach produziert und ihre Macher sind keineswegs nur junge, wilde Regisseure, die das starre System unterlaufen. Während sich etwa die Dogma-Leute einer freiwilligen Selbstbeschränkung unterwerfen, ist für Dörrie das Filmemachen scheinbar ein Weg zur Selbstfindung. Von jungen Genies keine Spur.

Also der Überraschungserfolg BLAIR WITCH ? Hier kann man sicher von Genialität sprechen, leider aber nur im Bereich des Marketing und weniger im cineastischen Sinne. Und BAISE-MOI, das kontroverse Werk aus Frankreich ? Wie von den Filmterroristen aus John Waters CECIL B. wurde der Film billig gedreht, bricht Tabus wo es nur geht, nimmt keine Rücksicht und schockiert damit halb Frankreich. Das klingt alles unglaublich aufregend und bahnbrechend, doch in Wirklichkeit zeigt auch BAISE-MOI nichts grundlegend Neues, wobei der Film weniger genial sondern eher genital ist.

Die massenhafte Verbreitung von Videokameras, die nach Coppolas Theorie auch Filmvisionäre hervorbringt, hat einen grundlegenden Pferdefuß. Wir sind overfilmed. Als es noch schwierig war, laufende Bilder festzuhalten, wurde eine genaue Auswahl getroffen, was filmenswert ist und was nicht. Heute dagegen passiert scheinbar nichts mehr, ohne das nicht irgendein Freizeitfilmer den Finger auf der Record-Taste hat (man vgl. nur den Absturz der Concord und den Brand der Bergbahn in Kaprun), um das Ereignis in verwackelten Bildern festzuhalten. Dabei ist jedermann dieser Bilder längst schon überdrüssig (die eben genannten Katastrophen bilden die unrühmliche Ausnahme), weshalb junge Regisseur gut beraten sind, wenn sie sich von diesem Berg des Trivialen abgrenzen und deshalb Film anstatt Video als ihr Medium wählen.

Richtig eingesetzt hat die Videotechnik durchaus ihre Berechtigung in der Filmkunst. Das haben auch sehr gute Regisseure wie Lars von Trier bewiesen. Wer jedoch glaubt, diese relativ leicht verfügbare Möglichkeit einen Film zu drehen sei ein guter Nährboden für junge Filmkünstler, der täuscht sich. Da echte Filmgenies von ihrer Profession besessen sind, werden sie immer Filme drehen, egal wie schwierig oder wie teuer es ist. Wer diesen Aufwand aber scheut und meint, er könnte en passant einen wirklich guten Film machen, wird über das Stadium des aufgepeppten Heimvideos nie hinauskommen.

Michael Haberlander

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