Kürzlich erschien in der Wochenzeitung DIE ZEIT ein Gespräch
zwischen Deutschlands Vorzeigeproduzenten Bernd Eichinger und dem
BLAIR WITCH - Regisseure Daniel Myrick und beide waren darin sich
einig, dass es in Hollywood kaum gute Drehbücher gibt. Diese
selbstgefällige Übereinstimmung verwundert nun doch ein wenig, da
es Eichinger schließlich immer wieder schafft, aus anspruchsvoller
Literatur meist mittelmäßige Filme zu machen, während der Erfolg
Myricks keineswegs auf einem großartigen Drehbuch, sondern auf
einer cleveren (dazu nicht einmal so neuen) Idee und einer
geschickten Werbekampagne beruht. Auch das Bild, das Albert
Brooks in seinem Film THE MUSE von der schreibenden Zunft zeichnet
ist alles andere als schmeichelhaft, wobei gerade diese geistreiche
Satire der perfekte Widerspruch gegen die angebliche Unfähigkeit
der Drehbuchautoren ist.
Die Filmindustrie (inklusive vieler Regisseure) verweist mit
Vorliebe auf die fehlenden "Stoffe" und die schwachen Drehbücher,
wenn sie auf stetigen Niveauverlust oder Sequel- und Remakeorgien
angesprochen wird. Wie passt dieses negative Autorenimage aber
zur Traumkarriere von Kevin ‘SCREAM’ Williamson ? Warum werden dann
auch jetzt noch für manche vier- bis fünfseitigen Exposés
Millionenbeträge gezahlt ? Und wodurch zeichnet sich überhaupt ein
gutes Drehbuch aus ?
Im Grunde hat sich im Verhältnis zwischen den Filmstudios und
ihren Autoren seit den Anfängen wenig geändert. Selbst in den 30er
und 40er Jahren, als Literaten wie William Faulkner und Raymond
Chandler für Hollywood schrieben, wurden diese mal wie Könige
verehrt, um kurz darauf wie Sklaven behandelt zu werden; man
vergleiche hierzu den stellenweise fast dokumentarischen BARTON
FINK. Wenn Barton Fink im Film schließlich die Menschen
verzweifelt beschimpft "I’m a writer, you monsters! I create!",
dann trifft er genau das Dilemma, in dem Drehbuchautoren noch heute
stecken. Drehbuchautoren sehen sich selber als Künstler,
vergleichbar mit Romanautoren und regulären Schriftstellern.
Filmproduzenten sehen in Drehbuchautoren jedoch Handwerker, die auf
Anweisung eine Komödie, ein Drama oder, wie bei BARTON FINK, einen
Wrestlingfilm schreiben müssen.
Auf der einen Seite wollen also die Produzenten ein konkretes
Drehbuch, dass auf einen bestimmten Star zugeschnitten ist oder
einem aktuellen Trend folgt oder nach einem vermeintlichen
Erfolgsrezept gestrickt oder, oder, oder.... Auf der anderen
Seite dagegen stehen die Autoren oder Möchtegernautoren (ob
Totengräber aus Schottland in L.A. WITHOUT A MAP, indischer
Buchhalter in BOWFINGER oder Fernsehstar Lorenzo Lamas in THE
MUSE), die glauben, sie hätten DIE Geschichte, auf die die Welt
noch wartet. Manche dieser Autoren haben Glück und ihre Idee
wird tatsächlich zum Erfolg. Doch zeigt sich bei vielen, dass sie
leider immer nur die selben, irgendwann langweiligen Geschichten
erzählen, so zu sehen beim bereits erwähnten Kevin Williamson mit
seinen Teenagerhorrorfilmen oder bei Richard Curtis, dem nach VIER
HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL nichts besseres einfiel, als in
NOTTING HILL Andie MacDowell gegen Julia Roberts auszutauschen.
Um im Geschäft zu bleiben, muss sich ein Drehbuchautor also
ständig weiterentwickeln und gleichzeitig auf Bewährtes
zurückgreifen, zudem einen eigenen Still etablieren ohne sich
selbst zu kopieren und vor allem neue, ungewöhnliche und riskante
Stoffe suchen, ohne dabei den Markt aus dem Auge zu verlieren.
Willkommen bei der Quadratur des Kreises.
Es fehlt dabei nicht an Personen, die den Autoren "behilflich"
sind, diesen mehrfachen Spagat zu vollführen. Im Film von Albert
Brooks ist es die titelgebende Muse, die den Autoren den rechten
Weg weist, im täglich Leben sind es dagegen ganz reale Regisseure,
Produzenten, Geldgeber, Drehbuchberater, Schauspieler und sonstige
aufdringliche Zeitgenossen wie sie wunderbar in Barry Primus
MISTRESS von 1991 dargestellt werden. Reicht dies immer noch
nicht aus, um ein Drehbuch in die gewünschte Richtung zu lenken,
ersetzt man einfach den Autoren durch einen anderen. Wehren kann
sich der Autor dagegen kaum, denn schließlich gehören die Rechte an
dem Drehbuch in der Regel nicht ihm, sondern dem Filmstudio.
Hält man sich im Gegensatz dazu vor Augen, dass normale Buchautoren
mit ihren Lektoren sogar um einzelne Worte in ihren Werken
streiten, dann kann man verstehen, warum Drehbuchautoren oft als
neurotisch und verbittert dargestellt werden (z. B. in THE PLAYER).
Also nur Verzweiflung, Verfälschung, künstlerischer Müll und
zerstörte Ideen bei den Drehbuchschreibern ? "Dass dieser
Zauber [der Worte] irgendwie dann doch, hin und wieder, aufgrund
eines anderen und gar nicht so seltenen Zaubers, überlebt und mehr
oder weniger unbeschädigt die Leinwand erreicht, ist das seltene
Wunder, das die Handvoll guter Schriftsteller in Hollywood davon
abhält, sich die Kehle durchzuschneiden." hat Raymond Chandler vor
über 50 Jahren in seinem nach wie vor lesenswerten Essay
"Schriftsteller in Hollywood" geschrieben. Das selbe Wunder,
von dem Chandler spricht, ist wohl auch mit dafür verantwortlich,
dass die wahren Filmfans immer noch lieber ins Kino gehen, als sich
selbst zu richten.
Michael Haberlander
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